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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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smaragdgrünen Farben, gehörte mir allein. Glücklich über meine Erlebnisse in Afrika warf ich mich in diese Wellen. Vergessen waren die schweren Jahre — ich fühlte mich wie neugeboren.
      Auf meiner kleinen Schreibmaschine schrieb ich meine Erlebnisse nieder — es wurde mein ausführlichstes Tagebuch. Auch schrieb ich Berichte über Material, Belichtung und Motive meiner sämtlichen Aufnahmen — 210 Filme hatte ich belichtet, meine erste Arbeit als Fotografin.

    Wieder in Deutschland

    A m 8. August 1963 stand ich in München vor meiner Tür in der Tengstraße. Ich hatte Herzklopfen. Vor zehn Monaten hatte ich hier Abschied genommen. Meine Mutter öffnete die Tür. Als sie mich erkannte, schrie sie auf. Es war kein Schrei der Freude, sondern ein Schrei des Entsetzens.
      «Mein Kind, mein Kind, wie siehst du aus?» Ihr liefen die Tränen herunter.
      «Ich bin doch ganz gesund, liebste Mutti, ich war nie krank.»
      «Arme Leni, ich kenn dich nicht wieder.»
      «Meine Haare sind abgebrochen», sagte ich, «sie sind hell geworden, ausgedörrt von der Sonne, aber das ist doch nicht so schlimm, die wachsen wieder nach.»
      Meine Mutter verzweifelt: «Um Gottes willen, wie bist du abgemagert, du hast ja keine Arme und keine Beine — wie schaust du aus, so elend.»
      Ich hatte das nicht empfunden. An der Reaktion meiner Mutter und bei näherem Betrachten im Spiegel mußte ich allerdings feststellen, daß die Expedition mich sehr strapaziert hatte. Es zeigte sich dann, daß es gar nicht so einfach war, mich wieder anzufüttern. Ich konnte essen, was ich wollte, ich nahm nicht zu. Der Körper hatte sich an die fettlose, karge Ernährung so gewöhnt, daß er kein Eiweiß mehr aufnahm. Erst durch monatelanges Spritzen stellte sich allmählich mein früheres Gewicht wieder ein.
      Aber der Schreck, den ich meiner Mutter eingejagt hatte, war nicht das Schlimmste, was mich erwartete. Wenn ich an den Augenblick denke, als ich erfuhr, was mit meinen Fotosendungen passiert war, läuft es mir noch heute kalt über den Rücken.
      Das war die Sache mit Ulli. Der junge Mann hatte einen guten Eindruck auf mich gemacht, war ruhig, höflich und an allem, was mit Fotografieren zusammenhing, besonders interessiert. Er sollte mich immer auf schnellstem Wege über die technische Qualität meiner Aufnahmen informieren. Auf seinen Bericht über das erste Paket mit belichteten Filmen hatte ich vergebens gewartet. Die Telegramme, die ich ihm aus Juba und Nairobi sandte, blieben unbeantwortet. Erst kurz vor meiner Rückreise erhielt ich einen Brief, unklar und verworren. Immerhin wußte ich, daß die Filme angekommen waren. Daher war nach der Begrüßung zu Hause die erste Frage an meine Mutter: «Wo sind meine Filme?»
      Meine Mutter machte ein bekümmertes Gesicht: «Ich fürchte, du wirst mit Ulli Ärger bekommen.»
      «Wieso?» fragte ich erschrocken.
      «Er war so sonderbar und hat mir auf meine Fragen immer ausweichende Antworten gegeben.»
      «Hat er dir die Filme nicht übergeben?» fragte ich stockend.
      «Nur einen Teil», sagte meine Mutter, «die erste Sendung, aber nicht die zweite und auch nicht die dritte.»
      Mir wurde schwindlig.
      Meine Mutter zögernd: «Ich erfuhr, daß er nach deiner Abreise eine Stellung als Fotograf angenommen hat, und deshalb konnte ich ihn nie erreichen.»
      Mein Gott, dachte ich, vielleicht hat er meine Aufnahmen an eine Fotoagentur verkauft. Ich mußte Gewißheit haben. Da meldete er sich überraschend. Erleichtert atmete ich auf. Was er mir mitteilte, war niederschmetternd. Die Filme, die er mir übergab, waren Blankfilme, aus glasklarem Zelluloid. Lakonisch sagte er: «Das kann nur durch die afrikanische Zensur oder beim Zoll geschehen sein — ich habe Ihnen davon nichts mitteilen wollen, um Sie nicht zu erschrecken.»
      Der Schmerz, den ich damals empfand, war unbeschreiblich. Ich war wie gelähmt. Es war unfaßbar. Mehr als 200 Filme hatte ich aufgenommen, und nur die erste Sendung, die meine Mutter erhalten hatte, war gerettet — nur 90 Filme. Ich konnte nicht mehr essen, nicht mehr schlafen. Wie konnte das geschehen?
      Plötzlich fiel mir etwas ein, was mich stutzig machte. Ulli hatte mir Aufnahmen beschrieben, die es gar nicht gab. Vergebens versuchte ich ihn zu erreichen, aber er war nicht mehr aufzufinden. Er hatte München ohne Angabe einer Adresse verlassen. Ich übergab
    die vernichteten Filme der Kriminalpolizei.
      Die Filme

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