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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Wasser vom Himmel, daß sie keine Not litten, wenn es ihnen gelänge, dieses Wasser in selbstgebauten Behältern aufzufangen, wie es in den meisten Mittelmeerländern geschieht. Dazu bräuchten sie Hilfsmittel, wie Zement oder bestimmte Folien, die sie aber nicht besitzen. Jahrelang habe ich mich bemüht, den Nuba dabei zu helfen. Mit Brunnenbauern, Wasserbauingenieuren und sogar Wünschelrutengängern habe ich mich beraten und mir von Spezialisten Vorschläge machen lassen. Vergebens hoffte ich, das Geld zusammenzubringen, um den Nuba Wasser in den Trockenzeiten zu beschaffen.
      So gesund die Nuba auch aussehen mochten, täuschte der Anblick. Viele waren krank, deshalb hatte ich reichlich Medikamente und Verbandzeug mitgebracht. Am häufigsten litten sie an Lungenentzündung, an Bronchitis, die mit Antibiotika zu heilen waren, und äußeren Geschwüren, die sie sich durch Verletzungen zuzogen, da sie barfuß über Steine und durch Dornengestrüpp liefen. Ihre Fußsohlen waren so dick, daß sie mich an Elefantenfüße erinnerten. Als ich mir einmal einen mächtigen Dorn in die Fußsohle gespießt hatte und mir nur mit Mühe den Schuh vom Fuß ziehen konnte, blieb ein schmerzhafter Splitter in der Sohle. Einer meiner NubaFreunde holte eine eiserne Pinzette aus dem am Arm befindlichen Messer heraus und entfernte den Dorn mit großem Geschick. Wie ich erst jetzt bemerkte, besaß jeder Nuba ein solches Instrument.
      Leider hatte sich die Stimmung im Lager in den letzten Tagen sehr verschlechtert. Meine Begleiter folgten nur noch widerwillig meinen Anweisungen. Gerhard Fromm versuchte zu vermitteln, meist erfolglos. Glücklicherweise war er immer guter Laune, keine Arbeit war ihm zu viel.
      Wir hatten vereinbart, bei Sonnenaufgang aufzustehen. Oft verschliefen sie das, und mir war es peinlich, die jungen Leute zu wecken. Sie waren dann beschämt, wurden gerade deshalb unverschämt und drohten mit sofortiger Abreise. Ich war ihnen ausgeliefert. Eines Morgens ereignete sich ein besonders krasser Fall. Ich hatte mir in meiner Hütte eine Tasse Kaffee gemacht. Die beiden schliefen noch. Plötzlich stand Walter, der Elektriker, vor mir und schrie wütend: «Ich verbiete Ihnen, daß Sie sich eine Tasse und einen Löffel holen, auch nicht Zucker und Kaffee. Sie haben sich keine Extrawurst zu gestatten, wir trinken auch nicht den Kaffee im Zelt.»
      Ich schrieb dies wörtlich in mein Tagebuch. Dabei war Walter von Natur aus gutmütig, und manchmal schien ihm sein Verhalten leid zu tun. Ich vermutete, daß er wie Dieter einen Hitzekoller hatte. Einmal geriet dieser in solche Wut, daß er mit Fäusten auf mich losging. Ich hatte ihm Vorwürfe gemacht, weil er einen NubaHund erschossen hatte — nachts waren wir alle über dem Schuß und dem Heulen der Hunde erschrocken aufgewacht. Die Nuba liefen zusammen und waren sehr erregt, als sie den Hund erschossen auffanden. Hätte ich sie nicht beruhigt, wäre die Sache böse ausgegangen. Dieter verteidigte sich mit dem Argument, der Hund hätte einige seiner präparierten Fledermäuse gefressen. Das war schon möglich. Aber er war schießwütig, zweifellos. Bei unseren Fahrten führte er immer sein Gewehr mit und klappte die vordere Windschutzscheibe herunter, um die Waffe schußbereit zu halten. Da ich ihn nicht reizen wollte, gab ich bald meine Proteste auf. Als Fahrer des zweiten Wagens war er unentbehrlich.
      Meine Nerven waren aufs äußerste strapaziert, kein Wunder, täglich mußte ich befürchten, diese Belastungen nicht mehr durchzustehen. Aber, um den Film zu retten, ließ ich alles über mich ergehen, auch die immer exzessiver verlaufenden Wutanfälle des Elektrikers, der sich einmal in eine solche Raserei steigerte, daß er die Axt erhob und damit mehrere Male auf eine vor seinem Zelt stehende Sperrholzplatte einschlug. Ich habe es als Dokument im Foto festgehalten. Am nächsten Morgen war er sanft wie ein Lamm, brachte mir eine Flasche mit Obstsaft, den seine Frau eingekocht und ihm mitgegeben hatte. Er war nicht wiederzuerkennen.
      Noch fehlten wichtige Aufnahmen von den Ringkampffesten, vor allem vom Endkampf. Es war mehr als schwierig, mit der Kamera nahe genug an die Kämpfenden heranzukommen. Sie wurden von den sie umgebenden Nuba vollständig verdeckt. Um das ganze Geschehen eines solchen Festes total einzufangen, hätte es mehrerer Kameramänner bedurft: Für die Gesichter der Zuschauer, die der Kämpfer, die der Sieger, der trillernden Frauen und

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