Memoiren 1945 - 1987
bestraft werden, aber ich hatte mich geirrt. Als nach drei Stunden das Urteil verkündet wurde, erhielt jeder der zehn Nuba die gleiche Strafe, auch Tukami: Drei Monate Gefängnis in Kadugli. Außerdem hatten sie oder ihre Familien den Geschädigten die Ziegen zu ersetzen.
Die Gefängnisstrafe erschien mir unbegreiflich hoch, aber ohne Murren wurde sie angenommen. Die Gesetze und die Höhe der Strafe wurden allein von den Nuba bestimmt, nur der Strafvollzug, das Gefängnis, war Sache der sudanesischen Regierung.
Den Delinquenten war nicht erlaubt, in ihre Hütten zu gehen, sie mußten sofort in Begleitung eines dem «Mak» unterstellten Hilfspolizisten nach Kadugli abmarschieren. Ein trauriger Abschied. Unfaßbar, daß ich sie nicht mehr wiedersehen würde.
Es gab dann noch eine Überraschung. Beim Abzählen der Zehn fehlte einer von ihnen — Tukami. Wahrscheinlich war ihm die Strafe für ein bißchen Darm zu hart erschienen. Er war verschwunden und nicht mehr aufzufinden. Tukami war fort, über alle Berge auf und davon. Zurückkommen würde er kaum, da er dann eine dreimal so hohe Strafe verbüßen müßte.
Als ich bedrückt nach Tadoro zurückkehrte, sah ich, daß Walter und Dieter schon mit dem Abreißen des Lagers begonnen hatten, obgleich ich so gern noch einige Aufnahmen gemacht hätte. So war das Ende der Expedition gekommen, der Aufbruch überstürzt, weil meine Leute schnell fort wollten, ich aber nicht. Der Abschied war
traurig, der schmerzlichste, den ich bisher bei den Nuba erlebt hatte.
Vor meiner Abreise besuchte ich noch die Angehörigen der Nuba, die im Gefängnis waren, ihre Eltern und Geschwister. Ich teilte meine Vorräte auf, machte ihnen kleine Geschenke und war erfreut zu sehen, daß keiner von ihnen sich wirklich Sorgen machte. Sie wußten, ihre Männer kommen wieder. Dann werden sie wie Helden empfangen und ein großes Fest wird gefeiert.
Und doch konnte ich meine inhaftierten Freunde noch einmal sehen. Als wir mit unseren Autos durch Kadugli kamen, sah ich von ferne Häftlinge bei der Straßenarbeit. Wie wir näher kamen, erkannte ich sie. Sie winkten und riefen meinen Namen. Ich ließ sofort anhalten. Eine unerwartete Freude. Alle kamen herbei und drückten mir die Hände. Ich hatte nur den einen Wunsch, ihnen zu helfen. Aber meine Begleiter wurden ungeduldig. Ich mußte mich trennen.
Noch lange winkte ich, bis sie meinen Blicken im Staub entschwanden.
Schwierigkeiten ohne Ende
E rst Wochen nach Verlassen der Nuba-Berge traf ich in München ein, die Wagen waren aber noch unterwegs. Das Verladen der Fahrzeuge auf Schienen und Schiff hatte sich als fast undurchführbar erwiesen. Deshalb hatte ich für die Hinfahrt schon Monate vorher die Plätze auf der «Sternenfels» buchen müssen.
Von Semeih nach Khartum, einer Strecke von fast tausend Kilometern, mußten die Autos verladen werden, Wagen ohne Vierradantrieb konnten die langen Sandstrecken nicht durchqueren. Während es Gerhard Fromm und mir gerade noch gelang, in den Zug einzusteigen, mußten Walter und Dieter in Semeih zurückbleiben. Es gab für die Fahrzeuge keinen Waggon. Erst nach drei Wochen konnten sie in Semeih verladen werden. Als sie endlich in Khartum eintrafen, hatte ich inzwischen die Zuweisung eines Waggons nach Port Sudan erhalten. Aber auch diesmal ging es nicht ohne Zwischenfälle ab. Eines Morgens wurde ich im Hause meiner Freunde Weistroffer aus dem Schlaf gerissen. Vor mir stand Walter und sagte aufgeregt: «Der Wagen ist in der Nacht aufgebrochen worden, und soweit wir es bisher übersehen, wurde eine Menge gestohlen.»
«Auch das Filmmaterial?» fragte ich erschrocken.
Er schüttelte den Kopf. «Kommen Sie mit, wir müssen zur Bahnpolizei.» Bei der sudanesischen Bahn wurde mir klargemacht, daß die Bahn für diesen Diebstahl nicht aufkäme. Meine Begleiter hätten ihn zu verantworten. Entgegen der Vorschrift hatten sie den Waggon am Abend zehn Stunden unbewacht gelassen und einen Nachtbummel durch Khartum unternommen. Eine unglaubliche Leichtfertigkeit. Das Film- und Fotomaterial war anscheinend noch vorhanden, gottlob auch die Arri-Kameras, nicht aber unsere diversen Fotoapparate, darunter auch meine Leica mit Optiken, Belichtungsmessern, Radio, Feldstecher und persönliches Eigentum. Meine Erregung legte sich etwas, aber mit den Nerven war ich so ziemlich am Ende.
Am nächsten Tag flog ich nach München. Zwölf Kilo hatte ich abgenommen, mehr noch als vor zwei
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