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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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tanzenden Mädchen und vor allem für die Kämpfe selbst.
      Bei einem solchen Fest hatte ich Pech. Ich wollte zwei Ringkämpfer fotografieren und bin zu nahe an sie herangegangen. Während ich durch den Sucher schaute, stürzten beide über mich, und ich lag mit meiner Leica unter ihnen, einen stechenden Schmerz im Brustkorb. Die Nuba waren nicht böse, sie lachten, hoben mich auf, nahmen mich auf die Schultern und trugen mich aus dem Ring. Dann kämpften sie weiter.
      Als die Schmerzen immer mehr zunahmen und ich kaum mehr schlafen konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich am nächsten Tag in das kleine Krankenhaus von Kadugli zu begeben. Ich hatte zwei Rippen gebrochen. Mit einem Pflasterverband kehrte ich nach Tadoro zurück.
      Um unser Programm zu schaffen, begann für uns ein Wettlauf mit der Zeit. Wir hatten schon vieles gefilmt, aber noch fehlten Aufnahmen vom Totenfest und der Seribe. Durch unseren Freund Natu durften wir in seiner Seribe filmen. Er teilte dieses Hirtenlager mit Tukami, der ebenfalls kaum einen Gegner zu fürchten hatte, und mit Gua und Naju, zwei Jünglingen von vielleicht siebzehn Jahren. Hier war noch eine biblische Atmosphäre, und wir bekamen Aufnahmen, von denen ich kaum zu träumen gewagt hätte. Selbst meine zornigen jungen Männer zeigten sich beeindruckt.
      Ohne eine Schmerzempfindung zu zeigen, ließen sich die Nuba vor der Kamera tätowieren und bemalten ihre Körper mit weißer Asche. Wir sparten nicht an Filmmaterial. Es war voraussehbar, daß es diese uralten Sitten bald nicht mehr geben würde.
      Während unserer Arbeit erschien plötzlich ein Knabe mit einer Nachricht, die die Nuba sehr zu beunruhigen schien. Sie redeten aufgeregt und brachen die Arbeit ab. Überraschend beschlossen sie, nach Tadoro zurückzugehen. Was ich erfuhr, war beunruhigend. Nuba aus den südlich gelegenen Tälern hatten berichtet, daß in Tosari, nur wenige Kilometer von Tadoro entfernt, Häuser brennen würden und die dort lebenden Nuba schon ihre Hütten verlassen hätten. Feinde sollten hereingebrochen sein und die Hütten in Brand gesteckt haben.
      Diese Nachricht versetzte mich in Schrecken. Ich dachte an die Kämpfe in Khartum und wußte, daß es südlich von uns zu schweren Unruhen gekommen war. Daß sie bis zu uns vordringen könnten, hätte ich nie geglaubt.
      In großer Eile ging es zurück. Unser Lager stand noch, aber mir fiel auf, daß nur noch alte Leute zu sehen waren, keine Frauen und auch keine Kinder. Unsere Nuba aus der Seribe waren blitzartig verschwunden. Wir hofften, sie bald wiederzusehen. Aber der Abend kam, es wurde Nacht, und niemand kehrte zurück. Es überfiel mich eine große Unruhe.
      In der Nähe unseres Lagers standen einige ältere Leute, bewaffnet mit Schildern und Speeren, was ich noch nie gesehen hatte. Ich fragte sie, was das zu bedeuten hätte. Sie erzählten uns, was schon der Bote in der Seribe berichtet hatte. Natu, Tukami und meine anderen Nuba-Freunde seien mit ihren Familien und Rindern in die Berge geflüchtet.
      In einer so gefährlichen Lage wollten meine Mitarbeiter verständlicherweise das Lager nicht verlassen. Da ich immer noch nicht glauben konnte, daß die Häuser in Tosari tatsächlich brannten, beschloß ich, mich davon zu überzeugen und mit unserem VW-Bus dorthin zu fahren. Die mit Speeren bewaffneten Nuba-Männer nahm ich mit. Auf dem Weg nach Tosari sahen wir am Wegrand auch ab und zu Nuba-Gruppen mit Speeren, die alle mitgenommen werden wollten. Als wir in Tosari ankamen, brannte dort kein einziges Haus, auch sahen wir keine Feuerstellen, aber auch hier herrschte Totenstille. Erleichtert stellte ich fest, daß die Gerüchte nicht stimmten. Wir gingen von Hütte zu Hütte, sie waren leer, alle Bewohner waren geflohen. Wie in Tadoro waren nur einige ältere Nuba-Männer zurückgeblieben. Ich versuchte, sie zu beruhigen und sagte: «kullo kirre» — alles Lügen, «kullo dette, dette» — alles sehr, sehr weit entfernt. Wir setzten uns zusammen, machten ein Lagerfeuer, und die alten Nuba-Männer erzählten mir, was sie früher, als die Engländer noch hier waren, erlebt hatten. Sie glaubten, es wären wieder die Engländer, die sie bedrohten. Langsam konnte ich ihnen die Angst nehmen.
      In Tadoro hatte sich inzwischen ein arabischer Händler mit seiner Familie eingefunden, der auf Grund der Gerüchte von Todesangst befallen schien. Obgleich die Nuba sehr friedlich waren, hätte diese Situation doch zu

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