Memoiren 1945 - 1987
ein Neger braun sein, die Hautfarbe normal kommen oder sind die Farben bei diesem Material anders?»
«Natürlich müssen die Farben genauso aussehen wie in der Natur, nur, wie Sie ja wohl wissen, bei einem Original etwas weicher.»
«Der Himmel muß also blau sein und ein Neger braun oder braunschwarz?»
«Natürlich, was für eine Frage.»
«Und», fragte ich mit Herzklopfen, «was hat es zu bedeuten, wenn die Aufnahmen grün sind, so grün wie ein Tannenwald oder hellgrün wie Salatblätter?»
Eine Pause, dann sagte Dr. Würstlin:»Ja, dann ist das Material kaputt.»
Ich kann heute nicht mehr die Worte finden, um zu beschreiben, wie mir bei dieser unzweideutigen Antwort zumute war. Ich konnte die Tragweite der Katastrophe noch gar nicht erfassen.
Ich fragte dann: «Und was können die Ursachen sein?»
«Es gibt drei. Die eine ist, daß das Original-Material nicht in Ordnung war, das ist aber bei Kodak ausgeschlossen. Sie haben das Material direkt mit dem Flugzeug aus Rochester erhalten, es war ein besonders ausgewähltes Material. Der zweite Grund ist, daß es zu sehr der Hitze ausgesetzt worden ist» — was durchaus möglich war. Als dritten Grund nannte er mir, daß das ER-Material, das in einem Spezialentwickler entwickelt werden muß, aus irgendeinem Grund, sei es aus Versehen oder aus Fahrlässigkeit, mit dem normalen Entwickler entwickelt wurde.
«Aber», sagte ich verzweifelt, «wir haben doch von beiden Materialsorten vor Auftragserteilung Proberollen entwickeln lassen, und die waren einwandfrei, auch die des ER-Materials.»
«Geyer soll uns das grüne ER-Material zusenden, wir werden es untersuchen.» Damit war das Gespräch beendet.
Das Material war kaputt. Es war grün. Die Aufnahmen — unwiederholbar — die Totenfeste, die Einweihung eines Jünglings und andere kultische Rituale. Ich dachte an die Amerikaner, an den Vertrag und an die Darlehen, die mir Freunde gegeben hatten — und an die unendlichen Mühen, die nun wahrscheinlich alle vergebens waren. Eine Welt brach in mir zusammen.
Nach diesem Telefongespräch hatte der Abteilungsleiter seine Ruhe verloren. So entsetzlich die Situation für mich auch war, in diesem Augenblick tat er mir leid. Für ihn als Fachmann war die Blamage einfach zu groß. Möglicherweise traf ihn selbst keine Schuld, vielleicht wollte er einen seiner Kollegen decken. Immer wieder versicherte er mir, er könnte durch eine spezielle Filterung eine brauchbare Farbkopie herstellen.
Fünf Tage blieb ich in Hamburg, fast täglich war ich von früh bis abends in der Kopieranstalt. Ich ließ mir die Originale des ERMaterials zeigen. Bisher hatte ich nur die Kopien gesehen, aber die Originale waren, wie ich befürchtet hatte, auch grün. Noch war ich mir nicht im klaren, ob das Material durch Hitzeeinwirkung oder durch falsche Entwicklung verdorben war. Gegen die Hitze sprach nicht nur die Proberolle, sondern auch unser Fotomaterial, das wir ebenso wie das Filmmaterial unter der Erde gelagert hatten. Keine einzige Rolle wies einen Farbstich auf, auch nicht die hochempfindlichen Ektachrome-Filme.
Aber jetzt ging es nicht um die Schuldfrage, sondern darum, zu retten, was noch zu retten war. Da entdeckte ich eine weitere schlimme Panne, die sich das Kopierwerk geleistet hatte. Ein großer Teil der Muster war ohne Fußnummern kopiert worden. Passiert das einer Kopieranstalt, ist sie zu einer neuen Kopie mit Fußnummern verpflichtet. Da dies aber bei Farbfilmmaterial sehr teuer ist, weigerte sich Geyer, das zu tun, was später zu schwerwiegenden Komplikationen führte. Meine jahrzehntelange freundschaftliche Zusammenarbeit hielt mich ab, es zu einem Rechtsstreit kommen zu lassen. Bald war jeder Zweifel ausgeschlossen, daß der Schaden nicht regulierbar war. Es dauerte Wochen, bis ich die versprochenen grünen Aufnahmen neu kopiert erhielt. Die Filterung hatte lediglich das Grün in Violett verwandelt, was noch unnatürlicher aussah. Ich konnte meinem amerikanischen Partner keinen Film abliefern. Die Folgen waren noch unübersehbar. Ich hatte nun endgültig die letzte Chance, mir wieder eine Existenz aufzubauen, verloren. Die Amerikaner verlangten mit Recht auf Grund ihrer Teilfinanzierung die gesamten Aufnahmen und sogar die Urheberrechte. Ich aber wollte mich um keinen Preis von meinem Nuba-Material trennen, auch wenn es unvollständig und zu großen Teilen unbrauchbar war. Es kam mit der «Odyssey Film» zu einem
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