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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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aus Rochester zurückholen.
      Dieser Glücksstrahl richtete mich wieder etwas auf. Aber ein neuer Vorfall bewies, wie mir das Leben in meinem Heimatland immer unerträglicher gemacht wurde. Ein junger Mann, der im Münchenkolleg sein Abitur nachmachte und Schreibarbeiten für mich ausgeführt hatte, erzählte mir empört, auf dem Gelände des Bayerischen Fernsehens sei er mit Luis Trenker und einigen Leuten der Fernseh-Gesellschaft zusammengekommen. Er habe Trenker gefragt, ob es nicht schade sei, daß seine ehemalige Partnerin, Frau Riefenstahl, seit Kriegsende keine Filme mehr machen konnte. Trenker nickte zustimmend und sagte dann: «Ja, es ist jammerschade — eine so große Begabung. Aber die Frau ist selber schuld. Sie hat durch ihre Beziehungen einen guten Bekannten von mir, den Herrn Moser, der als Wünschelrutengänger in ihrem Tieflandfilm gearbeitet hatte, in ein KZ-Lager bringen lassen, wo er dann auch gestorben ist.» Als der junge Mann ihn bestürzt fragte, warum Frau Riefenstahl dies getan haben solle, antwortete Trenker: «Weil er ihr für die Zeit nach Kriegsende eine düstere Zukunft prophezeite. Das soll sie so erbost haben, daß sie ihn denunziert hat und in ein KZ-Lager bringen ließ.»
      Dieser ungeheuerlichen Lüge habe ich es zu verdanken, daß mein Name in den deutschen Medien von neuem so diffamiert wurde. Erst Jahre später erfuhr ich durch einen Zufall die Wahrheit. Während einer Reise in die Dolomiten, in der ich meinem späteren Mitarbeiter Horst einige Aufnahmeplätze des «Tiefland»-Films zeigte, suchten wir in Nähe der Vajolett-Türme eine Berghütte auf. Als uns das Essen gebracht wurde, schaute mich die Serviererin, eine kräftige Bäuerin, forschend an und sagte: «Sind Sie nicht die Leni Riefenstahl?»
      Als ich dies lächelnd bestätigte, setzte sie sich zu uns und sagte: «Ich bin die Tochter vom Bergführer Piaz. Mein Vater hat Sie doch einmal mit dem Steger Hans aus der Rosengarten-Ostwand herausgeholt, und ich hab doch manchmal beim Tieflandfilm zugeschaut.»
      Da fiel mir unser Wünschelrutengänger Moser ein. «Kannten Sie den Herrn Moser?» fragte ich.
      «Freilich», sagte sie, «er hat uns oft besucht und hat immer mit großer Begeisterung von Ihnen erzählt.»
      «Und was ist aus ihm geworden?»
      «Gestorben ist er, vor ein oder zwei Jahren. An einer Pilzvergiftung.»
      «Wo lebte Herr Moser im Krieg und die Jahre danach?»
      «In Südtirol», sagte sie, «mit einer reichen Engländerin zusammen. Die haben oft bei uns gesessen.»
      «Haben Sie mal gehört, daß Herr Moser in einem KZ war?»
      Die Piaztochter schaute mich verblüfft an. «Was für ein Schmarrn, wer redet denn so was?»
      «Trenker», sagte ich, «Luis Trenker behauptet das.»
      «So ein Depp! Der Moser war nicht einen einzigen Tag eingesperrt, während der ganzen Kriegszeit ist er mit der Engländerin hier herumgekraxelt.»
      Die Zeugen dieses Gesprächs leben noch, aber juristisch war es zu spät für einen Strafantrag gegen Trenker. Nicht immer hat man
das Glück, im richtigen Augenblick die Wahrheit nachweisen zu können.

    Meine schwarzen Freunde

    I n Deutschland arbeiten war hoffnungslos, und ins Ausland gehen — dafür war ich nicht mehr jung genug. Meine Gedanken und Wünsche kreisten ausschließlich um meine Nuba. Sie hatten mir durch ihre Zuneigung viele glückliche Stunden geschenkt. Mein Wunsch, wenn möglich für immer unter ihnen zu leben, wurde immer stärker. Aber das waren Illusionen, Wunschträume — die Wirklichkeit sah anders aus. Wir hatten großes Glück gehabt, daß wir trotz der Unruhen im Sudan so ungestört dort arbeiten konnten. Das ging mir durch den Kopf, als durch Presse und Rundfunk bekannt wurde, daß Bernhard Grzimek, der große Tierforscher und Zoologe, im südlichen Sudan verhaftet und ins Gefängnis von Khartum eingeliefert worden war. Man hatte ihn der Spionage verdächtigt, weil sein Flugzeug, aus Kenia kommend, im Sudan notlanden mußte. Auch dieser Vorfall zeigte, wie riskant es war, sich im tiefsten Innern des Sudan aufzuhalten und dort zu filmen. Trotzdem zog es mich unwiderstehlich in diese Welt.
      Freunde versuchten, mir dies auszureden. Als sie merkten, daß ich es ernst meinte, appellierten sie an meine Vernunft. Ich hatte aber keine Lust, vernünftig zu sein oder darüber nachzudenken, ob ich bei meinen schwarzen Freunden eventuell krank werden könnte. Ausgeschlossen war das selbstverständlich nicht, ich

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