Memoiren 1945 - 1987
dem Berliner Bunker gestohlen worden waren. Als Ausgangsmaterial für die von den Amerikanern gewünschten neuen Dup-Negative besaß ich nur alte, teilweise beschädigte Nitrokopien. Über drei Monate versuchte ich im Münchner Schneideraum mit einer Assistentin daraus neue Dup-Negative herzustellen. Das Endresultat war erstklassig.
Auch während dieser Arbeitsperiode blieb ich mit meinen Nuba in Kontakt. Khalil hatte mir schon einige Tonbänder geschickt. Auf dem letzten Band hatte Natu berichtet, er hätte für das Geld, das ich ihm in Khartum für die Rückreise gab, Schaufel und Eimer auf dem Markt in Kadugli gekauft, sie hätten schon ein zehn Meter tiefes, breites Loch gegraben, aber noch kein Grundwasser gefunden, sie würden weitergraben.
Robert Gardner, der sich kurzfristig in Khartum aufhielt und auf dem Wege nach dem Südsudan war, um über die Dinka und Nuer einen Film zu machen, ließ ich über die US-Botschaft bitten, er möge Geld an Khalil für den Brunnenbau schicken, damit die Nuba weiteres Arbeitsgerät kaufen können. Ohne Schaufeln kämen sie nur langsam voran. Sie gruben nur mit getrockneten Kürbisschalen nach Wasser. Der Gedanke, die Nuba könnten tatsächlich auf Wasser stoßen, war aufregend. Tag für Tag wartete ich auf neue Nachrichten aus dem Sudan. Es war meine unumstößliche Absicht, nach Beendigung der Regenzeit im Oktober nach Khartum zu fliegen,
um dann für längere Zeit bei den Nuba zu bleiben.
Schwarze Wolken ballten sich am Horizont. In Nahost war ein Krieg zwischen Israel, Ägypten und Jordanien entbrannt. In sechs Tagen errangen die Israelis einen Sieg, der die Welt bewegte. Für meine Reise war er folgenschwer. Durch Briefe aus dem Sudan erfuhr ich, wie dieser Krieg die Lage der Deutschen in Khartum negativ verändert hatte und wie auch ich davon betroffen wurde. Schlagartig war im Sudan eine Wende eingetreten. Die Sympathie für die Deutschen wandelte sich in das Gegenteil. Ruth Plaetschke und ihr Mann, denen Khartum eine zweite Heimat geworden war, schrieben mir:
Wir waren so gern hier, aber es hat sich alles so sehr verändert, wir fühlen uns nicht mehr wohl. Wenn wir früher auf dem Markt erschienen, gab es überall eine freudige Begrüßung mit unseren Händlern, jetzt zeigen sie alle finstere Gesichter. Das betrifft aber nicht nur die Deutschen, auch die Engländer und Amerikaner sind nicht mehr erwünscht. Viele von ihnen verlassen den Sudan. Man glaubt, daß dies durch den immer stärker werdenden russischen Einfluß verursacht wird.
Auch Dein Name hat hier große Wellen geschlagen. Ein arabi scher Händler, der in den Nuba-Bergen lebt, machte eine offizielle Beschwerde im Parlament, weil Du nackte Menschen fotografiert hast, für einen Mohammedaner ein Verbrechen. Abu Bakr, der die Zensur für Deine Aufnahmen ausübte, wurde zur Stellungnahme aufgefordert. Er hat Dich verteidigt und die Verantwortung über nommen. Er sagte, daß Deine Aufnahmen ethnologisch wertvoll wären und die Nuba in keiner Weise diffamieren. Das Ansehen, was Abu Bakr hier hat, fällt schwer ins Gewicht, aber er muß vorsichtig sein, um seine Stellung nicht zu verlieren. Ich muß Dich also sehr enttäuschen. Rechne nicht damit, so schwer es Dich auch trifft, daß Deine Wünsche, Dich zu den Nuba zurückzuziehen, in naher Zukunft realisierbar sind ...
Ich konnte nicht weiterlesen, es traf mich wie ein Blitz. Meine Nuba nie mehr wiedersehen? Meine Träume und Wünsche sollten so plötzlich zerstört werden? Nein — ich würde nicht aufgeben — niemals. Manchmal kann scheinbar Unmögliches doch noch möglich werden — vieles kann sich ändern. Eins stand für mich fest: Mit oder ohne Erlaubnis, ob man mich einsperren oder sonst was mit mir machen wird — ich werde die Nuba wiedersehen, und wenn es nur für ein paar Tage wäre. Sollte ich tatsächlich nie mehr ein Visum bekommen, dann würde ich mich sogar entschließen, einen Sudanesen zu heiraten, nur um die sudanesische Staatsangehörigkeit zu erhalten.
Meine Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Alle Briefe an Abu Bakr blieben unbeantwortet. Von meinen Freunden erhielt ich auf meine Fragen, warum Abu Bakr schweigt, nur ausweichende Antworten. Nur Ruth Plaetschke hatte den Mut, mir die Wahrheit zu sagen. Sie schrieb:
Abu Bakr ist Dir weiterhin freundschaftlich gesonnen. Aus diesem Grunde will er Dir nichts Unangenehmes sagen, da es zur Zeit hoffnungslos ist, für dich ein Visum und Unterstützung Deiner
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