Memoiren 1945 - 1987
käme.»
«So», sagte ich ungläubig, «wer ist es denn — kann ich ihn sehen?»
«Ich kann ihn ja mal fragen, er kommt öfter hierher, wenn er Filme zum Entwickeln bringt.»
«Was ist er von Beruf?»
«Er arbeitet als Kamera-Assistent, ist aber auch Mechaniker, ich glaube sogar Automechaniker.» Ich wurde hellhörig.
«Können Sie mir Ihren Bekannten vorstellen?»
«Ich kann ihn über meine Mutter erreichen, dort wohnt er als Untermieter.» Während er mir auf einen Zettel Namen und Telefonnummer aufschrieb, sagte er noch: «Für Ihre Expedition wäre er genau der Richtige.»
Als ich nach einigen Tagen dort anrief, meldete sich Frau Horn. Sie war schon von ihrem Sohn über mein Anliegen informiert worden. Zu meiner Enttäuschung sagte sie mir, ihr Untermieter sei gestern nach Italien in Urlaub gefahren und käme erst in drei Wochen zurück. «Aber», fuhr Frau Horn fort, «ich soll Ihnen von Herrn Kettner ausrichten, er wird sich, wenn er wieder in München ist, bei Ihnen melden. Mein Sohn Reinhold hat ihm noch einen Tag vor seiner Abreise kurz von Ihrem Vorhaben erzählt. Er hat das Ganze zuerst für einen Scherz gehalten, aber wenn es sich um eine richtige Afrika-Expedition handelt, dann wäre er schon interessiert.»
«Und was ist Herr Kettner für ein Mensch?» fragte ich. Frau Horn fing an zu schwärmen.
«Ein feiner Mensch», sagte sie, «wirklich ein feiner Mensch und so ruhig und bescheiden. Noch nie hab ich so einen Mieter gehabt. Sein Zimmer ist immer aufgeräumt, er raucht nicht und trinkt nicht, und immer ist er hilfsbereit, ich kann nur das Allerbeste über ihn sagen.»
Das klang alles fast zu gut, aber doch sehr fraglich, ob daraus auch etwas würde. Ich mußte einen Ausweg suchen. Wenigstens für die Fahrt bis Khartum brauchte ich einen Begleiter, der dann zurückfliegen könnte. Dort würde ich schon einen guten afrikanischen Fahrer finden. Für die Filmaufnahmen müßte ich notfalls einen Sudanesen als Kameramann engagieren. Eine Notlösung, aber besser, als die ganze Expedition scheitern zu lassen.
Die Arbeit lief auf vollen Touren. Da bekam ich eine neue «Dusche»: Einen Brief meiner Freundin Ursula Weistroffer aus Khartum. Ich hatte ihn schon lange erwartet. Mit Bestürzung las ich:
Die politische Lage ist immer noch ungewiß, und ob Abu Bakr Dir eine Aufenthaltsgenehmigung für die Nuba-Berge besorgen kann, weiß ich nicht. Seine arabische Höflichkeit, offen zu sagen, ob Du noch auf der schwarzen Liste stehst, erschwert es, die Wahrheit zu erfahren. Verehrer hast Du bestimmt viele im Sudan, aber ich glaube nicht, daß einer darunter ist, der sich mit der Sicherheitspolizei anlegen würde, um für Dich einen längeren Aufenthalt zu erwirken. Gewiß, die Nuba sind im Gegensatz zu den Dinka und Schilluk den Arabern nicht feindlich gesonnen. Aber sie sind in den Augen der Araber doch «primitive» Menschen, und wenn jetzt ein Weißer kommt und mit ihnen sympathisiert, dann können zumindest die einfachen Araber sich nicht vorstellen, daß man diese Menschen liebt, man wittert irgendeinen Zweck dahinter. Es tut mir leid, daß meine Zeilen so ganz Deinen Hoffnungen entgegensprechen — ich wünsche Dir die Kraft, die Du brauchst, um Deine Entscheidungen zu treffen.
Zum ersten Mal dachte ich daran, zu resignieren und alles hinzuschmeißen. Aber ich brachte es doch nicht über mich. Schon ein kleiner Anlaß reichte hin, mich etwas zu ermuntern. Es war schon spät, ich diktierte noch Briefe, als das Telefon läutete. Am Apparat meldete sich Horst Kettner. Ich hatte ihn inzwischen ganz vergessen. Eine halbe Stunde später war er schon in der Tengstraße. Ich begrüßte einen etwas scheuen jungen Mann, sehr groß, schlank und gutaussehend. Sein Gesicht flößte mir vom ersten Augenblick an Vertrauen ein. Behutsam versuchte ich, einiges von ihm zu erfahren. Er sprach gebrochen deutsch. Als Kind deutscher Eltern war er in der Tschechoslowakei auf gewachsen und arbeitete erst seit zwei Jahren in Deutschland. Mein Name sagte ihm nichts, ich war ihm unbekannt.
Der Grund, daß er sich bei mir meldete, war sein Interesse an Afrika. Als ich ihm dann sagen mußte, daß ich ihm kein Gehalt zahlen, sondern nur die Reisespesen und die notwendigen Versicherungen übernehmen könnte, machte das keinen Eindruck auf
ihn. Er war sofort mit meinem Vorschlag einverstanden.
Schon nach drei Tagen machte er sich an die Arbeit. Es gab eine Menge zu tun:
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