Memoiren 1945 - 1987
des ganzen Berichts von der Freigabe dieses einen Bildes abhängig machte. Nun wollte ich nicht wegen einer einzigen Aufnahme die Verbindung zu so einer bedeutenden Illustrierten verlieren und gab schließlich nach. Bei Gillhausens Abschied hatte ich noch keine feste Zusage.
«Vielleicht», sagte er, «können wir in zwei bis drei Monaten eine Serie bringen, Sie werden von uns hören.»
Ich war enttäuscht. Ich hatte mir mehr erwartet. Um so größer war die Überraschung, als mich wenige Tage danach Henri Nannen, der Chefredakteur des «stern», anrief.
«Leni», sagte er, «bitte, nehmen Sie sofort das nächste Flugzeug und kommen Sie nach Hamburg.» Ich dachte, er macht einen Scherz, doch ehe ich eine Frage stellen konnte, sagte er euphorisch: «Ihre Aufnahmen sind hinreißend, die ganze stern-Redaktion ist von den wundervollen Fotos begeistert — wir wollen eine große Serie noch vor Weihnachten herausbringen, eventuell sogar mit der Titelseite — wir brauchen Ihre Informationen — dringend — einer meiner Redakteure wird Sie noch heute abend in Hamburg in Ihrem Hotel erwarten — unsere Münchner Redaktion wird alles für Sie organisieren.»
Ich war sprachlos. Mir kam das Ganze nicht geheuer vor. An Enttäuschungen und Rückschläge gewöhnt, wagte ich auch nicht, mich zu freuen.
Am Abend traf ich in Hamburg ein. Herr Braumann, ein Mitarbeiter der Redaktion, erwartete mich im «Hotel Berlin». Jetzt verstand ich, warum alles so übereilt geschah. Nannen hatte, nachdem er meine Fotos sah, beschlossen, in die schon halb fertiggedruckte Vorweihnachtsausgabe eine Nuba-Serie mit fünfzehn Farbseiten einzubauen und die schon ausgewählte Titelseite auszutauschen. Um dies zu ermöglichen, mußten die Texte spätestens am nächsten Tag gedruckt werden, da die Ausgabe schon in einer Woche herauskommen sollte.
Als ich das hörte, wurde mir unbehaglich zumute. Wie sollten in wenigen Stunden die Texte geschrieben werden! Es ging ja dabei nicht nur um Bildtexte, man wollte auch einen ausführlichen Bericht meiner Erlebnisse bei den Nuba haben. Herr Braumann machte mir Mut: «Sie werden mir heute abend erzählen, was Ihnen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist, und ich bringe Ihnen morgen vormittag den Text. Sie können ihn noch korrigieren, bevor wir ihn bei der Redaktion abgeben.» Bis nach Mitternacht saßen wir beisammen. Ich weiß nicht mehr, ob er sich Aufzeichnungen machte oder ob ich in ein Tonband sprach. Ich erinnere mich, daß wir einen guten Kontakt hatten. Er war schon einige Male in Afrika gewesen.
Was ich am nächsten Vormittag erlebte, machte mich unglücklich. Nach dem Frühstück war ich noch ganz «happy» gewesen, weil die stern-Redaktion mir nicht nur einen wunderschönen Blumenstrauß, sondern auch einen Scheck von 25 000 DM schickte. Ich jubelte. Endlich dachte ich, habe ich auch einmal Glück. Als ich aber dann den Text las, den mir Herr Braumann überbrachte, bekam ich Angst. Er widerstrebte mir so stark, daß ich dazu nie meine Zustimmung geben konnte. Er war nicht schlecht, im Gegenteil, er war journalistisch glänzend geschrieben, aber was da stand, war zu sensationell und meinen Empfindungen diametral entgegengesetzt.
Es war keine Zeit mehr, den Text noch umzuschreiben, somit stand für mich fest, den Scheck, so schwer es mir auch fiel, zurückzugeben und die Serie stoppen zu lassen.
In größter Erregung versuchte ich an Henri Nannen heranzukommen — er saß in einer Konferenz. Da übergab ich seiner Sekretärin mit ein paar Zeilen den Scheck. Noch bevor ich das Haus verließ, kam mir Nannen nachgelaufen: «Was ist los», sagte er halb lachend,
halb ärgerlich, «sind Sie von Sinnen? Sie können doch nicht die ganze Redaktion durcheinanderbringen. Die Fotos sind doch schon gedruckt.» Ich kam mir wie ein gejagter Hase vor, die Nerven versagten. Ich fing an zu schluchzen. Nannen, den ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte, versuchte mich zu besänftigen. «Die Texte, die Sie stören, können Sie doch ändern, das ist doch kein Grund, daß die Serie nicht erscheint.» Er brachte mich in das Büro seiner Sekretärin, wo ich ihr die Korrekturen direkt in die Maschine diktieren sollte.
«Hauptsache», sagte Nannen im Weggehen, «daß Sie in zwei Stunden fertig sind — das ist der späteste Termin für den Druck.» Dann drückte er mir den Scheck in die Hand und verabschiedete sich.
Dieser in einer Zeitschriften-Redaktion
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