Memoiren 1945 - 1987
nicht mehr ganz
von der Echtheit seiner Gefühle überzeugt war. Auch die drei anderen spielten ihren
Part wirklichkeitstreu in die Leere der Filmhalle und erwiesen sich als begabte
Darsteller. Ich war reichlich irritiert. Frau Riefenstahl dagegen fand die gestellten
Aufnahmen besser als die der originalen Darbietung ...
Aber immerhin war ich bis dahin von der Echtheit der Gefühle überzeugt, mit
denen die Redner die Begeisterung der Massen hervorriefen. Um so überraschender
wirkte an diesem Tag im Johannistaler Filmtheater auf mich, daß diese ganze
Bezauberungskunst auch ohne Publikum ‹echt› dargestellt werden konnte.»
Dies war eine Vision Speers, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Sicherlich hat er dies nicht aus böser Absicht geschrieben, in den zwanzig Jahren seiner Haft hat er naturgemäß einiges durcheinandergebracht. Als ich ihn aufklärte und ihm beweisen konnte, wie die Vorgange tatsächlich verlaufen waren, tat es ihm leid, und er versprach, diese Irrtümer bei Neuauflagen zu korrigieren.
Wie aber können solche Irrtümer entstehen, die sogar einem Wahrheitsfanatiker, wie Speer es ist, unterlaufen sind? Die Szene, die er beschreibt, hat sich so abgespielt: Es ist richtig, daß Speer in einer Filmhalle das Rednerpult des Kongreßsaales aufbaute, in der eine Nachaufnahme von Julius Streicher, nicht aber von Rudolf Heß gefilmt wurde. Bei Streichers Rede in Nürnberg war dem Kameramann der Film ausgegangen, und da Streicher als Gauleiter von Franken einmal erscheinen sollte, mußte ein Satz in einer Länge von wenigen Sekunden nachträglich aufgenommen werden. Bei dieser kurzen Szene war außer Speer, dem Gauleiter und dem technischen Stab niemand weiter anwesend, weder Heß, Frank, Rosenberg und auch ich nicht, von Rudolf Heß wurde nie nachträglich eine Aufnahme gemacht. Ich kenne den Grund von Speers Irrtum: Einen Tag vor der Eröffnung des Parteitags verlangte Heß in der Kongreßhalle eine Lichtprobe am Rednerpult. Er stellte sich auf das Pult, um zusammen mit dem Kameramann Sepp Allgeier zu überprüfen,
ob das Scheinwerferlicht für Hitler, der am nächsten Tag von hier aus eine lange Rede halten würde, erträglich wäre. Damals entwikkelten die Scheinwerfer noch eine große Hitze. Bei dieser Lichtprobe, bei der auch Speer und ich dabei waren, hat Heß keine Rede gehalten. Die Fotos, die hiervon uns gemacht wurden, haben Speer vom wahren Sachverhalt überzeugt. Es stimmt auch nicht, Hitler habe auf meinen Vorschlag angeordnet, ungenügende Filmszenen im Atelier zu wiederholen. Ich kann nur hoffen, daß Speer nicht Irrtümer von größerer Bedeutung unterlaufen sind.
Mit Speer in den Dolomiten
E ine Einladung nach Südtirol nahm ich gern an. Vor der Abreise nach Wolkenstein bat mich Will Tremper für seine neue Zeitschrift «Jasmin» um einige Fotos von Albert Speer, der dort, was ich nicht wußte, seinen Urlaub verbringen wollte. Kein Problem. Ich freute mich, Albert Speer in Wolkenstein zu treffen.
Bei unserer Begrüßung war ich über seine gute Verfassung überrascht. Von seiner langen Gefängniszeit war ihm nichts mehr anzumerken. Täglich machte er stundenlange Spaziergänge, während Margarete, seine sportliche Frau, lieber über Steilhänge abfuhr. Als Speer von meiner Arbeit an einem Fotoband meiner afrikanischen Reisen erfuhr, bot er mir seine Hilfe an. Zuerst las er das Manuskript, das ihm im Grunde sehr gefiel, er hielt es nur zu lang für ein solches Buch. Fast täglich arbeiteten wir gemeinsam an einem kürzeren Text. Oft machten wir in der verschneiten Waldlandschaft Spaziergänge, auf denen ich ihm Fragen zur Vergangenheit stellte, was ich früher nie gewagt hätte. Ich staunte über seine Ruhe und Gelöstheit, mit der er über den Dingen zu stehen schien. Wie immer man zu Speer stehen mag, ich zweifelte nicht, daß er eine ungewöhnlich starke Persönlichkeit war.
Die Nuba schlugen auch ihn in Bann. Er machte mir Skizzen für den Buchtitel. Seine Vorschläge lauteten: «Meine größte Liebe» oder «Wie von einem anderen Stern». Als Motto schlug er mir einen Satz aus dem Tagebuch von Christoph Kolumbus, vom 25. Dezember 1492, vor:
«Sie gehen umher wie Gott sie geschaffen hat, Männer sowohl als Frauen und
bemalen ihre schön geformten Körper. Obwohl sie (die Indianer) keine Christen
sind, darf man von ihnen sagen, daß sie ihre Nächsten wirklich lieben.»
«Es ist ein wunderbarer Stoff», sagte Speer, «es macht mir
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