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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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nicht gerade alltägliche Vorgang spielte sich am 3. Dezember 1969 ab. Schon in der nächsten Woche hielt ich das «stern»-Heft in Händen. Ich konnte mich von der Titelseite nicht losreißen, sie war wunderbar. Die von Gillhausen gestaltete Bildreportage war so ungewöhnlich, daß es nicht übertrieben ist zu sagen, der «stern» hat den Nuba ein Denkmal gesetzt.

    Ein Irrtum in Speers «Erinnerungen»

    I n dieser Zeit erhielt ich von Albert Speer sein erstes Buch, «Erinnerungen», dessen Manuskript im Spandauer Gefängnis entstanden war. Zwanzig Jahre hatte er dort verbracht. Er war der einzige Angeklagte in Nürnberg gewesen, der sich «schuldig» bekannte, was Historiker, Freunde und Feinde zu unzähligen Kommentaren veranlaßt hatte. Bücher wurden über ihn geschrieben, Filme gemacht, die Urteile über ihn waren extrem. Viele seiner Freunde verstanden ihn nicht, ihr Urteil war hart. Sie glaubten, seine innere Wandlung sei aus Berechnung erfolgt, er sei ein «Verräter». Andere wiederum, besonders einige der Verfolgten, bemühten sich, ihm zu verzeihen. Ich glaube, daß Speer diese Verzeihung suchte, daß er direkt süchtig nach ihr war. Er litt, und das glaube ich, Höllenqualen, und er ging nicht den leichteren Weg, den der Verdrängung. Er suchte die Konfrontation.
      Solange Hitler noch lebte, war er ihm total verfallen. Wie hätte er sonst, nachdem Hitler ihn zum Tode verurteilt hatte, kurz vor Kriegsende noch einmal zu ihm zurückkehren können, um sich vor seinem möglicherweise eigenen Tod von ihm zu verabschieden und dabei noch die Kraft zu haben, Hitlers Befehl der «Verbrannten Erde» zu verweigern. Wo gab es im «Dritten Reich» einen zweiten Mann, der einen solchen Mut bewiesen hat? Speer hatte mir sein Buch mit einem kurzen Brief geschickt.

                                                  im September 1969 Liebe Leni,
       hier das lang erwartete Buch, das ich Dir nur zögernd übersen de, da ich befürchte, daß es Deine Meinung von mir etwas ver schieben wird. Ich hoffe, nicht zu sehr nach der ungünstigen Seite. Ich nehme an, daß Du verstehen wirst, wie sehr es mich drängte, den nachfolgenden Generationen einen Standpunkt zu übermitteln, der ihnen helfen kann, ähnlichen Schwierigkeiten zu entgehen. Ob wohl ich meine Zweifel an der Belehrsamkeit der Menschen habe. Aber man sollte — jeder an seinem Platz — dazu beitragen ...
    Dein Albert

    Diese Zeilen beeindruckten mich sehr, und ich war auf die Lektüre außerordentlich gespannt. Was würde sein Buch enthalten? Eine Antwort auf unsere Tragödie? Als ich zu lesen begann, konnte ich nicht mehr aufhören. Es erschütterte mich. Ich gehöre zu denen, die an Speers innere Wandlung glauben. Allerdings hätte ich mir gewünscht, daß er mehr darüber geschrieben hätte, was ihn an Hitler so faszinierte, denn diese Frage wird auch mir immer wieder gestellt. Speer war fast täglich mit Hitler beisammen, ich habe ihn nur in wenigen Ausnahmesituationen erlebt. Diese Frage hat Speer meines Erachtens nicht genügend beantwortet.
      Als mich Speer anrief und nach eventuellen Korrekturen fragte, gab ich ihm einige Irrtümer an. Am gravierendsten war, was er über Rudolf Heß geschrieben hatte. Ich war ziemlich verwundert. Von dem, was dazu auf Seite 75 seiner «Erinnerungen» steht, stimmt nicht eine Zeile:

    «Ich erinnere mich übrigens, daß die Filmaufnahmen von einer der feierlichen
    Tagungen des Parteikongresses 1935 verdorben waren. Hitler ordnete auf Leni
    Riefenstahls Vorschlag hin an, daß die Szenen im Atelier zu wiederholen seien. In
    einer der großen Filmhallen in Berlin-Johannistal wurde von mir als Kulisse ein
    Ausschnitt des Kongreßsaales sowie das Podium und das Rednerpult aufgebaut,
    Scheinwerfer darauf gerichtet, der Filmstab lief geschäftig herum — und im
    Hintergrund sah man Streicher, Rosenberg und Frank mit ihren Manuskripten auf
    und ab gehen, eifrig ihre Rollen memorierend. Heß kam an und wurde als erster zur
    Aufnahme gebeten. Genau wie vor den 30 000 Zuhörern des Parteikongresses
    erhob er feierlich die Hand. Mit dem ihm eigenen Pathos aufrichtiger Erregung
    begann er sich genau dorthin zu wenden, wo Hitler nun eben nicht saß und rief in
    strammer Haltung: ‹Mein Führer, ich begrüße Sie im Namen des Parteikongres
    ses. Der Kongreß nimmt seinen Fortgang. Es spricht der Führer!› Er wirkte dabei
    so überzeugend im Ausdruck, daß ich von diesem Zeitpunkt an

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