Memoiren 1945 - 1987
das Magazin «Film Culture» in den USA genießt, habe ich nicht nur seine Fragen ausführlich beantwortet, sondern ihm auch Einblick in wichtige Dokumente gegeben. Als wir uns verabschiedeten, sagte er: «Sie könnten auch wieder in Amerika arbeiten, wenn», er machte eine Pause, «wenn Sie den Mut hätten, Ihre Schuld während der Nazizeit zuzugeben.»
Bestürzt über diese Worte, fielen mir die zahllosen Verhöre während meiner Gefangenschaft ein, in denen mir für meine Zukunft alles versprochen worden war, wenn ich mich zu falschen Geständnissen hätte entschließen können. Gordon Hitchens mußte gespürt haben, wie deplaziert seine Bemerkung war, denn sein Bericht war fair und informativ, ein über 100 Seiten gehender Artikel mit vielen Fotos und einer vollständigen Filmografie. Ähnlich war auch die Arbeit des jungen Deutschen. Sie erschien in einem mir gewidmeten Sonderheft der von Hermann Lindner herausgegebenen Zeitschrift «Filmkritik». Darin wurde sachlich über meine Filmtätigkeit referiert.
Was kommen mußte, kam. Diese neue Chance und die häufiger erscheinenden Presseberichte zu meinen Gunsten riefen meine Gegner wieder auf den Plan. Manchmal kam ich mir wie eine ohne Netz arbeitende Drahtseilartistin vor. So erging es mir mit der Einladung in den «UFA-Palast am Zoo», wo mein Olympiafilm gezeigt werden sollte. Ich ahnte nicht, daß das zu wilden Protesten führen würde, denn schon vor beinahe 15 Jahren war er mit großem Erfolg und uneingeschränktem Lob der Berliner Presse im «TitaniaPalast» gelaufen. Was ich dieses Mal in Berlin erleben sollte, war nicht voraussehbar. Damit hatte auch Wenzel Lüdecke, Chef der «Berliner Synchron-Film», nicht gerechnet, der mit einem Verleiher aus Anlaß der Olympischen Spiele in München den Film in Berlin herausbringen wollte.
Obgleich das Kino fast ausverkauft war, kam es gar nicht zu einer Vorführung. Eine einflußreiche Gruppe in Berlin hatte massiv gegen die Vorführung des Films protestiert. Durch Presse, Fernsehen, Rundfunk und in Telegrammen an den Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz forderten sie ein Verbot der Aufführung. Die Begründung: Der Film sei ein nationalsozialistisches Machwerk, seine Vorführung eine Beleidigung für die Verfolgten des Nazi-Regimes. Auch der Senator für Wissenschaft und Kunst wurde unter Druck gesetzt. Er sah zwar keine Möglichkeit, die Aufführung zu verbieten, da der Film 1958 von der Freiwilligen Selbstkontrolle auch für Jugendliche freigegeben und seitdem in verschiedenen Städten ohne Störungen gezeigt worden war, aber in Berlin konnte die Vorführung nicht mehr stattfinden. Der Leiter des UFA-Palasts war durch anonyme Anrufe gezwungen worden, den Film abzusetzen, andernfalls das Theater in Brand gesteckt werden würde. Ähnliche anonyme Drohungen erhielt auch ich. Wenn ich auch Morddrohungen nicht unbedingt ernst nahm, so verließ ich doch bestürzt und bitter enttäuscht Berlin, die Stadt der Olympischen Spiele. Es traf mich tief, daß ich dies in meiner Heimatstadt erleben mußte. Dagegen wurde die Sendung der BBC ein sensationeller Erfolg. Stephan Hearst, einer ihrer leitenden Männer, schloß seinen begeisterten Brief mit dem Satz: «Der Olympiafilm wird ein Meilenstein in der Geschichte des Films bleiben.» Norman Swallow, Executive-Producer der BBC, schrieb: «Was ist die Schuld von Leni Riefenstahl? Daß Hitler sie bewundert hat.»
Der Trubel, in den ich vor Beginn der Spiele in München geriet, ließ mich kaum noch zur Besinnung kommen. Genaugenommen hätte ich mich nur noch mit den neuen Kameras beschäftigen müssen, um meiner Aufgabe gerecht zu werden. Leitz hatte mir seine neuesten Leicaflex-Kameras zur Verfügung gestellt, aber jeder Tag brachte andere Verpflichtungen. Am bemerkenswertesten hielt ich das Angebot eines 60-Minuten-Films über mich, den das Britische Fernsehen beabsichtigte, mit Norman Swallow als Produzent und Colin Nears als Regisseur. Die Arbeit mit ihnen war eine Freude. Wir durchstöberten mein Archiv und saßen stundenlang im Schneideraum, um Szenen aus alten Filmen auszuwählen. Ausruhen konnte ich mich nach dieser Arbeit nicht. Inzwischen wartete Professor von Hanwehr, der mit seinen Studenten aus Los Angeles gekommen war. Sie wollten mit mir reden und meine Filme sehen. Diese jungen Leute waren so sympathisch und so begeisterungsfähig, daß ich gern mit ihnen beisammen war. Daneben sollte ich mich für Rolf Hädrich freimachen, der für seine
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