Memoiren 1945 - 1987
mit Soldaten als Fahrer zugeteilt, einen uralten Landrover und einen Lastwagen für das Gepäck. Benzin war sogar bei der Armee äußerst knapp, wir erhielten nur zwei Fässer, die aber höchstens für die Hinfahrt und nur für drei bis vier Wochen Aufenthalt reichten. Beim Zustand der Bereifung mußten wir wohl mit reichlich Reifenpannen rechnen.
In Kadugli, wo uns der neue Gouverneur herzlich willkommen hieß, war es auch unmöglich, Benzin aufzutreiben. Immerhin hatten wir die Chance, nach Kau zu kommen, und besaßen die Sympathie des Gouverneurs.
Schon nach Kadugli wurde die Fahrt mühselig. Von der vergangenen Regenzeit her waren die Pisten noch schwer befahrbar und langwierige Umwege, die Benzin fraßen, unvermeidbar. Große Steine und Baumstämme versperrten immer wieder den Weg. Oft mußten sich die Wagen durch enges Buschwerk zwängen, dann krachten um uns die Äste. So wurde die Fahrt für uns alle zu einer Nervenprobe. Aber dann lichtete sich das Gestrüpp, und wir sahen vor uns die Berge von Kau. Es war Anfang Januar, als wir dort er schöpft ankamen. Wie bei unserem ersten Besuch schlugen wir unser Lager unter dem gleichen großen Baum auf, dessen Krone einen idealen Schattenplatz abgab. Noch waren keine Nuba zu sehen.
Am Abend kam der Omda zur Begrüßung. Er schien erfreut und bot uns wieder seine Hilfe an. Das Vordringlichste war ein hoher Strohzaun um unser Lager, und schon am nächsten Morgen kamen vier Männer. Unser «Haus» war schon am selben Abend so gut wie fertig, und es kam mir schöner vor als jede Luxus-Suite. Die Hitze war Anfang Januar noch gut zu ertragen.
Um uns herum herrschte himmlische Stille, denn die Nuba ließen sich noch immer nicht sehen. Das war gut so, denn zunächst hatten wir unsere Kisten auszupacken und das Lager einzurichten. Dann besuchten wir mit unseren Geschenken den Omda, der nur wenige Minuten von unserem Platz entfernt wohnte. Es waren einfache Sachen, aber hübsch verpackt, und für die in dieser Abgeschlossenheit lebenden Menschen fast Kostbarkeiten. Wir wurden mit Tee bewirtet und lernten die ganze Familie kennen mit allen Frauen und Kindern. Dann kamen die Überraschungen zum Vorschein. Der Omda erhielt eine große Taschenlampe mit vielen Ersatzbatterien, die Frauen bekamen Perlen und die Kinder Bonbons. Danach übergab ich dem Omda einige Schrifttstücke. Die wichtigsten waren aus dem Büro von Nimeiri und dem höchsten Polizeichef im Sudan. Die Sudanesen wurden darin aufgefordert, mir jede nur erdenkliche Hilfe zu gewähren. Außerdem besaß ich ein Schriftstück vom Ministerium für Kultur und Information, in dem bestätigt wurde, daß ich eine «Freundin des Landes» sei und die Aufnahmen hier unter seiner Schirmherrschaft erfolgen. Meinen sudanesischen Paß hatte ich sowieso dabei. Der Omda war von den Unterschriften und Stempeln tief beeindruckt.
Bevor wir uns verabschiedeten, zeigte er uns stolz eine goldglänzende Armbanduhr, eine Schweizer Uhr, die er vor einem Jahr noch nicht getragen hatte. Er fragte Horst, der, sprachtalentiert, etwas arabisch konnte, ob er ihm nicht das lockergewordene Armband reparieren könnte. Auf unsere erstaunten Blicke erfuhren wir, er hätte sie von einem, wie er sich ausdrückte, «swisserer» erhalten, der im vorigen Jahr nur kurze Zeit, nachdem wir Kau verlassen hatten, in dieser Gegend fotografiert hatte. Als der Omda sagte, er sei aus Malakal gekommen, fiel mir der Bericht der «Neuen Zürcher» ein, dessen Verfasser über die Südost-Nuba und den gewalti gen Wandel, den er an ihnen während seiner Aufenthalte zwischen
1972 und 1974 festgestellt habe, geschrieben hatte. Da hatte gestanden: «Die Zeit dürfte nicht mehr fern sein, in der sich die südöstlichen Nuba gleich dem Beispiel ihrer Brüder in Talodi und Rheika allen Plunder umhängen: Plastikdecken, Metalleimer, Autoreifen. Die größte Gefahr für ihre Tradition bildet der Islam. Herausgerissen aus ihrem traditionellen Hintergrund, gewöhnt an Geld, verelenden viele in den Armenvierteln der größeren Ortschaften und Städte.»
Das gleiche hatte ich bei «meinen» Nuba erlebt. Sollte dies auch schon auf die Südost-Nuba übergegriffen haben? Zehn Monate waren erst vergangen, seitdem ich sie noch bei den traditionellen Messerkämpfen in ihrer Ursprünglichkeit fotografieren konnte. Sollten dies die letzten Aufnahmen gewesen sein, und war es nun schon zu spät, sie noch ohne diesen Plunder fotografieren zu können? Dann hätte ich
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