Memoiren 1945 - 1987
mir diese Expedition ersparen können. Noch wußte ich es nicht. Wir hatten bisher nur alte Leute und Kinder gesehen.
Bald sollte ich Gewißheit haben. Der Omda fuhr mit uns nach Fungor, zu dem Platz, an dem ich vor einem Jahr die Kämpfe aufgenommen hatte. Was wir jetzt zu sehen bekamen, war eine bittere Enttäuschung. Die meisten Männer waren als Zuschauer oder Begleitpersonen gekommen. Kämpfer gab es nur wenige. Sie trugen Shorts oder waren arabisch gekleidet. Die Kämpfe selbst boten einen chaotischen Anblick, Streitigkeiten gingen voran, wer gegen wen antreten durfte, und schließlich kam es nur zu einem einzigen Kampf. Dieses Paar war von Zuschauern so sehr umringt, daß wir es weder filmen noch fotografieren konnten. Die zwei Tage unseres vorjährigen Besuchs waren Sternstunden gewesen, die sich wohl nie mehr wiederholen würden.
Wir mußten Abschied von Suliman, dem Fahrer unseres Lastwagens, nehmen, der verabredungsgemäß den LKW nach El Obeid zurückbringen sollte. Es war die letzte Gelegenheit, Briefe mitzugeben, denn von nun an waren wir von der Außenwelt so gut wie abgeschnitten. Von Abu Gubeiha, der nächsten Ortschaft, waren wir zwar nur 130 bis 150 Kilometer entfernt, aber für unseren museumsreifen Landrover war diese Strecke ohne Begleitfahrzeug und ohne eine Benzinreserve nicht zumutbar. In einem Brief schilderte ich dem General unsere ernste Lage und bat ihn, uns so bald als möglich den Lastwagen mit Ersatzteilen, Benzin und Öl zu rückzuschicken. Suliman bekam neben dem Brief auch einen größeren Geldbetrag mit, um diese Dinge notfalls auf dem Schwarzen Markt zu kaufen. Mohamed, der Fahrer unseres Landrovers, ein noch sehr junger Soldat, war überzeugt, daß Suliman spätestens in einer Woche mit den gewünschten Dingen wieder da sein würde. Der General hatte ihm einen Kameraden mitgeschickt, damit es ihm nicht zu einsam bei uns würde. Soweit lief alles gut. Aber die erste große Enttäuschung kam bald. Als wir Kau besuchten, war das Dorf wie ausgestorben. Sooft wir auch um die Häuser herumgingen, in den Felsen herumkletterten, wir trafen hauptsächlich auf kläffende Hunde und einige wenige ältere Leute. Auch winkten sie ab, wenn sie unsere Kameras sahen. Kein einziges junges Mädchen, kein einziger der so phantastisch bemalten Männer war zu entdecken. Erst als ich den arabischen Lehrer an der Schule, Ibrahim, kennenlernte, mit dem ich englisch sprechen konnte, wußte ich, daß alle arbeitsfähigen Nuba noch auf den weit entfernt liegenden Feldern Erntearbeiten verrichteten und wochenlang nicht in ihre Dörfer zurückkämen. Darum hatten wir niemand in Kau gesehen.
Das Thermometer stieg von Tag zu Tag. Bald hatten wir im Schatten 35 Grad und mehr. Bisher hatte ich während meiner Afrika-Expeditionen nie unangenehme Erlebnisse mit Schlangen gehabt. Wir hatten Schlangenserum dabei und sogar einen kleinen Petroleum-Kühlschrank, um dieses Serum und andere Medikamente frischhalten zu können, aber gegen die sehr giftigen Baumschlangen gibt es kein Serum, und gerade eine solche hatte sich in den Sack verkrochen, in den ich jeden Morgen meine Bettlaken legte. Horst hörte meinen Schrei, als ich in den Sack griff und eine ungefähr zwei Meter lange grüne Schlange an meinem Arm entlang ins Freie glitt. Geistesgegenwärtig erschlug er sie mit einem Stock. Danach spannten wir über die Betten zwei große Laken, damit Schlangen und anderes Getier von der Baumkrone nicht auf uns fallen konnte.
Am nächsten Tag geriet ich in eine andere gefährliche Lage. Ich hatte mir das verstaubte Haar gewaschen, als ein riesiger Bienenschwarm, möglicherweise durch den Duft des Shampoos angelockt, heransummte. Horst schrie: «Schnell unter die Decken.» Wir hatten auf die Feldbetten gegen Staub Plastikdecken gelegt und lagen nun schwitzend darunter. Tausende von Bienen um uns herum. Ich bekam kaum noch Luft, Schweiß floß aus allen Poren. Durch das durchsichtige Material sah ich die Bienen zu Hunderten darauf herumkriechen. Horst schrie: «Laß die Decken zu, die Bienen ste
chen dich tot!»
Das Surren der Bienen schwoll immer stärker an, fast pausenlos schrie Horst: «Tute, Tute, Mohamed, Arabi», aber niemand hörte ihn. So lagen wir schweißgebadet eine gute halbe Stunde, bis wir endlich Stimmen und Geräusche hörten. Ich erkannte Tute, einen Verwandten des Omda, wagte aber noch nicht, die Decke zu öffnen. Da hörte ich Feuer knistern. Die Nuba räucherten die Bienen aus. Erst
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