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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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ankern konnten, sondern in die Lagune fahren mußten. Die Besatzung des Leuchtturms, über unseren Besuch sehr erfreut, gab uns heißen Tee, und wir konnten uns trocknen.
      Am nächsten Morgen war das Boot mit den Tauchern schon fort. Die Männer im Leuchtturm erzählten uns, die Gruppe wollte ganz früh an der Riffecke tauchen, weil sich dort die Hammerhaie befinden sollen. Schon am Tag vorher hatte ich bemerkt, daß sie auf diese Begegnung ganz verrückt waren. Vor allem der Leiter der Gruppe, den sie «Hans» nannten, schien dieses Abenteuer kaum erwarten zu können. Während wir noch frühstückten, hörten wir aufgeregte Stimmen. Die Taucher kamen zurück: «Leni, kannst du helfen, ein Unglück ist passiert — wir brauchen einen Hubschrauber, du kennst doch Nimeiri — Hans ist in Lebensgefahr!» Mit blutigem Schaum vor dem Mund, lag der Taucher bewußtlos im Boot — scheinbar ein Lungenriß.
      Die Leuchtturmbesatzung bekam keinen Kontakt mit Port Sudan, auch gab es dort keinen Hubschrauber. Die Männer sagten, es gebe keinen anderen Weg, als den Verunglückten sofort mit dem kleinen Boot nach Port Sudan zu fahren und in ein Krankenhaus zu bringen. Schnellere Boote würde es hier nicht geben. Es war immer noch sehr stürmisch. Besorgt sahen wir, wie sich das Boot, langsam mit den großen Wellen kämpfend, von Sanganeb entfernte.
      Außer der Leuchtturmbesatzung waren jetzt nur Horst und ich auf dem Riff. Dieses Erlebnis hat uns sehr getroffen und auch vorübergehend die Freude am Tauchen genommen. Als der Sturm endlich nachließ, entschlossen wir uns zum ersten Tauchgang in der Lagune. Die Sicht war schlecht, der Sturm hatte alles aufgewühlt, aber schon am nächsten Tag konnten wir am südlichen Landungssteg, wo das Riff steil in die endlose Tiefe abfällt, unsere Filmkamera ausprobieren — an genau der Stelle, von der Hans Hass schreibt, daß er hier in einer Tiefe von nur 15 Metern das einzige Mal von einem weißen Hai attackiert wurde. Im letzten Augenblick war er ihm gerade noch entkommen. Daran mußte ich denken, ehe ich in das tiefblaue Wasser sprang. Aber wie immer, wenn ich meinen Kopf unter Wasser habe, vergaß ich alles um mich.
      Täglich tauchten wir dort mehrere Male. Da wir kein Boot hatten, war es ideal, unmittelbar von der Riffplatte an dieser senkrechten Wand, die ins Endlose ging, abzutauchen. Hier konnten wir allein und ungestört mit unserer Filmkamera experimentieren.
      Da sahen wir ein Boot auf uns zukommen. Die Taucher kamen zurück und zu unserer Überraschung und Freude mit ihnen auch der verunglückte Hans. Wie konnte der beinahe Totgeglaubte anscheinend gesund nach nur drei Tagen wieder zurückkommen?
      Der Unglücksfall und vor allem die wundersame Rettung ist berichtenswert. In einer Tiefe von nur 20 Metern hatten die Taucher schon ihre Hammerhaie entdeckt — viele, wie sie sagten. Jeder versuchte, sie mit der Kamera einzufangen. «Als sich mir ein großer Hammerhai näherte», sagte Hans, «schaltete ich zuerst einen, dann beide Scheinwerfer ein und begann in aller Ruhe den in Bogen anschwimmenden Koloß zu filmen. Als er näher und näher kam, hielt ich die Luft an, um nicht durch die Luftblasen den Hai zu erschrecken und die Szene meines Lebens zu verpatzen. Der Hai wurde im Sucher immer größer, und da wurde mir blitzschnell klar, daß er nicht mehr vom Kurs abweichen und mich einfach umwerfen würde. Im letzten Moment schlug ich ihm die Filmkamera entgegen und stieß mit einem Schrei die Luft aus. Der Hai verschwand im Nu, als ich aber Luft holen wollte, kam nichts aus meinem Lungenautomat. Ein einsetzender Stimmritzenkrampf versetzte mich in Panik — wie ein Fahrstuhl schoß ich an die Oberfläche.»
      «Im Krankenhaus in Port Sudan», berichtete einer seiner Kameraden, «war man ebenso ratlos wie wir. Hans war noch am Leben, aber neben der Erstickungsgefahr drohte ihm nun eine Embolie. Sein Gesicht war eingefallen, und braune Flecken markierten die Haut. Auf einer Röntgenaufnahme war ein faustgroßer Schatten als Blutgerinnsel oder Plasmaansammlung in der Lunge zu sehen. Es gab nur eine Rettungsmöglichkeit, ihn sofort in eine Dekompressionskammer zu legen. Aber die Druckkammer war defekt. Da erschien als Retter der in Port Sudan lebende, hoch angesehene Kapitän ‹Halim›. Er veranlaßte, daß Hans sofort ins Meer hinuntergelassen wurde, wo sie mit der Dekompression begannen. Fünf Stunden mußte er unten bleiben, während langsam die Tauchtiefe

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