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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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1936, aus Korea eingeladen. Im Hotel «Okura» erhielt ich eine Suite. Dort stellte mir Mr. Ono ein sehr charmantes junges Mädchen vor, das Noriko hieß. Sie sollte mir während meines ganzen Aufenthalts als Dolmetscherin und zu jeglicher Hilfe zur Verfügung stehen.
      Schon am ersten Tag erlebte ich eine Vorstellung in dem berühmten Kabuki-Theater, in dem nach uralter Tradition auch die Frauenrollen von Männern gespielt werden. Es war nicht leicht, den Sinn der Stücke zu enträtseln, aber die Darstellung, die Verwandlungskunst der Schauspieler, ihre Masken und Kostüme machten mir einen großen Eindruck. Es war ein ästhetischer Genuß.
      Noch hatte ich nicht erfahren, welches Programm man mit mir vorhatte, abgesehen von den Interviews. Wenn ich danach fragte, gab man sich ziemlich geheimnisvoll. An einem Nachmittag fuhren wir in ein Fernseh-Studio. Dort führte mich der japanische Regisseur hinter eine große Leinwand und bat mich, einen Augenblick zu warten. Ich war gespannt. Da vernahm ich hinter der Leinwand lang anhaltenden Applaus und hörte anschließend einen Japaner eine Ansprache halten und hörte meinen Namen. In dem gleichen Augenblick wurde die Leinwand hochgezogen, Scheinwerfer strahlten mich an, ich war geblendet — und schon war ich von jubelnden Japanern und Japanerinnen umringt. Was war geschehen? Die Filmgesellschaft hatte alle noch lebenden japanischen Teilnehmer der Berliner Olympiade nach Tokio eingeladen, auch solche, die wie Kitei Son im Ausland lebten. Ihnen war in diesem Studio die Vorführung meines Olympiafilms angezeigt worden, aber sie hatten keine Ahnung, daß ich selbst anwesend sein würde. Deshalb war ihre Überraschung, als der Vorhang aufging und ich auf der Bühne stand, für sie ebenso groß wie für mich. Und genau das hatte der Regisseur beabsichtigt und als Szene für seinen Film aufnehmen lassen. Ich verhehle nicht, daß ich von soviel Sympathie und Anerkennung ergriffen war. Ich durfte nicht an mein Heimatland denken.
      Die Wiederbegegnung mit den Athleten jener Tage nach über vier Jahrzehnten wurde mit einer großen Feier begangen. Einige erkannte ich wieder, vor allem Tajima, der im Dreisprung Weltrekord sprang, auch Nishida, der damals in einem fünf Stunden dauernden Kampf im Stabhochsprung die Silbermedaille erringen konnte. An meinem Schneidetisch hatte ich sie unzählige Male gesehen. Mr. Ono, der diese tolle Idee hatte, und dem es auch gelungen war, sie zu verwirklichen, strahlte.
      Bevor ich zurückflog, zwei Wochen war ich dort, arrangierte die Gesellschaft für mich eine Fahrt nach Kioto und Osaka. Der Filmkritiker Ogi und Noriko begleiteten mich. Was ich in Kioto sah, übertraf alle meine Erwartungen. Diese Welt, in der Tradition und Moderne wie selbstverständlich einander durchdringen, übte eine faszinierende Wirkung auf mich aus. Die kunstvollen Gärten, die Tempel und Teehäuser besitzen einen ungeahnten Zauber. Ich verstand, warum der japanische Stil, der Überflüssiges wegläßt und
sich so sparsam in Linien und Formen ausdrückt, in unserem Jahrhundert die Kunst des Westens so stark beeinflußt hat. Das «Tawaraya-Hotel», in dem Noriko und ich übernachteten, war ein Erlebnis für sich. Auch das Bad, wo ich in einem großen Holzbottich von einer japanischen Frau abgeschrubbt wurde, und das Nachtlager auf dem Fußboden, dessen Matratzen unter wertvollen Decken lagen, worauf es sich wunderbar schlafen ließ.
      In Osaka genoß ich die mir bis dahin ganz unbekannten Delikatessen, die uns in einem Luxus-Restaurant serviert wurden. Das Stunden dauernde Dinner war eine Zeremonie. Es sind ja nicht die Gerichte allein, die den Fremden so verblüffen, sondern der Stil, in dem die schier endlosen Gänge serviert werden, und die kostbaren Gefäße, Geschirre und Gläser, die dazu dienen. Während des Dinners hockte der japanische Küchenchef in einer Ecke unseres Raumes auf einer Strohmatte und beobachtete fast bewegungslos das für mich so fremde Ritual.
      Der Abschied kam viel zu schnell. Die letzten zwei Tage waren irre. Fast jede Stunde empfing ich einen anderen Besucher, bekannte Schauspieler, Verleger, Filmregisseure. Vor allem aber waren es die Fotografen und Journalisten, die noch vor meiner Abreise Interviews haben wollten.
      Am Flughafen erwartete mich eine letzte Überraschung. Nicht nur das japanische Filmteam und Noriko, sondern auch einige der Olympiateilnehmer waren zum Abschied gekommen. Wieder erhielt ich zahllose

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