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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Arten, aus ihrem Versteck und gingen auf Jagd.

      Am faszinierendsten empfand ich die Nachttauchgänge. Im Licht der Lampen leuchten die Farben am intensivsten, und viele Korallen entfalten nur in der Dunkelheit die blühenden Tentakel in ihrer ganzen Pracht. Hier öffnen sich für die Mikrofotografie unbegrenzte Möglichkeiten.
      In der Tat hielten die Fischer ihr Versprechen. Sie schienen verwundert, uns noch lebend anzutreffen. So unwahrscheinlich es klingen mag, wir sind hier keinem Hai begegnet. Nur selten sahen wir in respektvoller Entfernung einen oder auch mehrere vorbeiziehen. Ich begann Hans Hass zu glauben, der immer wieder versichert, daß die Gefährlichkeit dieser großen, faszinierenden Raubfische sehr überschätzt wird.

    Die Japaner

    N ach unserer Rückkehr überstürzten sich in München die Ereignisse, und ich kam nach wie vor nicht dazu, meinen Nuba-Film zu schneiden. Schon seit Tagen wartete ein japanisches Fernsehteam auf mich. Mr. Ono von der TV-Man-Union aus Tokio wollte mich zur Mitarbeit an einem 90-Minuten-Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin gewinnen. Er hatte eine kuriose Idee: Die japanischen Athleten, die 1936 Medaillen gewannen, sollten als Senioren noch einmal ihre Wettkämpfe gegen ihre noch lebenden Konkurrenten im Berliner Stadion austragen. Zuerst hielt ich das für einen Scherz. Aber dann zeigte mir Mr. Ono auf seinem Videogerät die Aufnahmen, die sie schon in Berlin gemacht hatten.
      Ein Fackelläufer, gekleidet wie damals, lief durch das Stadion und entzündete das Olympische Feuer. Das war keine Aufnahme aus meinem Film, sie war neu inszeniert. Stolz erzählte Mr. Ono, es sei derselbe Läufer, der auch 1936 das Feuer entzündet hatte. Es wäre ihnen gelungen, Fritz Schilgen, so hieß der Fackelläufer, der damals unter dem Jubel der Zuschauer mit dem Olympischen Feuer durch das Stadion lief, ausfindig zu machen. Aber Schilgen war nicht der einzige Senior der damaligen Olympiade, den die Japaner eingeladen und gefilmt hatten. Ich sah auf dem Bildschirm außer den früheren japanischen Athleten auch deutsche, finnische und aus anderen Ländern kommende Olympiateilnehmer von 1936. «Sehen Sie», sagte der japanische Regisseur, «das ist Salminen, der große finnische Läufer, Sie erinnern sich doch, der Nachfolger von
    Rückseite des Schutzumschlags zu
«Die Frauen, die Geschichte machten - Revolution, Krieg und Liebe»,
erschienen 1983 bei Shueisha, Tokio
    Nurmi und damaliger Sieger im 10 000-Meter-Lauf. Obwohl er schon 75 Jahre alt ist, läuft er immer noch sehr gut — schauen Sie, jetzt überholt er Murakoso — auch schon 72 Jahre alt, er kämpfte so tapfer gegen die drei siegreichen Finnen.» Ich erinnerte mich wohl daran: Der kleine Japaner war damals im Stadion der Liebling der Zuschauer. Fast ein halbes Jahrhundert war seitdem vergangen.
      Unwahrscheinlich, wie geschickt die japanischen Filmleute Szenen aus den damaligen Wettkämpfen mit den Senioren nachgestaltet hatten. Am stärksten beeindruckte mich ein spannendes Finale aus dem Schwimm-Stadion, in dem der damalige Sieger im 200Meter-Brustschwimmen, der Japaner Tetsuo Hamuro, und der Deutsche Erwin Sietas, der die Silbermedaille gewann, ältere Herren, nun Brust an Brust um den Sieg kämpften. Diesmal, nach 41 Jahren, schlug der Deutsche als erster an, der mit 62 Jahren ein wenig älter als Hamuro war. Der Japaner nahm seine Niederlage mit einem entwaffnenden Lächeln hin. Aber nicht nur die männlichen Teilnehmer hatten die Japaner eingeladen, sondern auch Damen wie Hideko Maehata, die 1936 im 100-Meter-Brustschwimmen Goldmedaillengewinnerin war und nun auch als Seniorin im Alter von
    63 Jahren wieder die erste wurde.
      Mit mir hatten die Japaner etwas anderes vor, einige Interviews mit Mr. Ogi, einem ihrer bekannten Filmkritiker, die in Berlin und in Tokio aufgenommen werden sollten. Da es ein großer Wunsch von mir war, Japan kennenzulernen, sagte ich begeistert zu.
      Arbeiten mit den Japanern in Berlin war eine Freude. So rücksichtsvoll, ruhig und zugleich begeisterungsfähig hatte ich selten ein Filmteam erlebt.
      Ende Juni kam der Tag, an dem ich das Land der aufgehenden Sonne zum ersten Mal kennenlernen sollte. Ich genoß diesen Flug, der über Moskau ging, wie ein kostbares Geschenk. Bei meiner Ankunft am Airport übergaben mir die japanischen Filmleute kleine Geschenke. Eine besondere Überraschung war ihnen gelungen. Sie hatten auch Kitei Son, den Marathonsieger von

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