Memoiren 1945 - 1987
wenige. Die große Mehrheit der Repräsentanten
des III. Reiches haßten Frau Riefenstahl, vor allem Dr. Goebbels und seine
Trabanten, auch die «alten Parteigenossen», die in ihr eben keinen «Alten
Kämpfer» sahen, sondern im günstigsten Fall die ehrgeizige Künstlerin und Frau,
die sich nicht kommandieren ließ.
Da sie aber eine Frau war und ist, haben natürlich die Legenden reichlich
Nahrung gefunden. Ihr Enthusiasmus für den Film ist einzig, und er hat auch bis
heute einzige Resultate gezeigt. In diesen Tagen läuft ihr «Olympia»-Film überall
in den Vereinigten Staaten von Amerika, ein Beweis, daß ihre Werke eben gute
Filme und nicht Propaganda waren. Selbst «Triumph des Willens» wurde 1947
in Amerika gezeigt, weil er das wirkliche Antlitz einer nun überwundenen Epoche
darstellt.
Ich habe seit zehn Jahren von Frau Riefenstahl keine persönliche Nachricht
erhalten — ich schreibe diese Zeilen spontan und vom Herzen herunter. Ihre
Künstlerschaft war schon vor dem Nazismus bewiesen, sie wird nach dessen
Überwindung zu voller Reife kommen. Vor meinem Gewissen kann ich beschwö
ren, daß sie es wie kein anderer verdient.
Ernst Jäger
Monate später versuchte Ernst Jäger mir seine unbegreifliche Sinnesänderung zu erklären. Er schrieb:
Furcht und Bedenken hatten mich nach 1933 krummgebogen, verlogen und
verlegen gemacht, verworren und prahlerisch ... Ich glaube, ich kann nun endlich
einmal heraussagen, was ich denke.
In einem anderen Brief sagte er von sich:
… Dann fiel Jäger bekanntlich in den Sumpf und Schlamm.
Ich muß gestehen, daß ich mich wieder einfangen ließ und ihm verzieh. Trotz Rehabilitation und Aufklärung war kein Ende der Hetze abzusehen. Keine Zeitung erwähnte die mich rehabilitierende Spruchkammerbegründung. Immer neue Lügen wurden über mich verbreitet. Wie konnte ich mich dagegen wehren? Ich war mittellos, krank und von fast allen Freunden verlassen. Das Schlimmste war,daß ich meinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Ich hatte zwar kein «Berufsverbot», aber mein Name war durch Rufmord so geschädigt, daß niemand es wagte, mir Arbeit zu geben.
Trenker war nicht mein einziger Feind, es saßen noch andere in den Mauselöchern und warteten auf den Augenblick, wo sie mir Schaden zufügen könnten.
Aber auch in dieser Zeit gab es Lichtblicke. Ein Postbote überbrachte mir in Königsfeld eine große Papprolle vom IOC Lausanne, in der sich ein Olympisches Diplom befand. Ich war glücklich. Ein Ersatz für die Olympische Goldmedaille, die mir 1939 für die Gestaltung meiner Olympiafilme verliehen wurde. Eine weitere gute Nachricht kam aus den USA. Dort lief, wie Ernst Jäger schon schrieb, mein Olympiafilm unter dem Titel «Kings of the Olympics» mit großem Erfolg. Die United Artists hatte ihn herausgebracht.
Die Kritiken waren überschwenglich, aber materielle Hilfe brachte mir das nicht. Mit Ungeduld wartete ich inzwischen auf eine Entscheidung aus Paris. Wochen vergingen ohne jede Nachricht. Noch immer war mein gesamtes Eigentum beschlagnahmt.
Mein neues Leben
I ch entschloß mich, von Königsfeld endgültig wegzugehen, da ich hier zu abgeschlossen lebte. So reiste ich wieder per Lastwagen, dieses Mal mit Hanni, nach München, wo wir bei meiner Schwiegermutter vorläufige Unterkunft fanden, meine Mutter mußte zunächst noch in Königsfeld bleiben.
Nachdem alle Bemühungen, eine Arbeit zu finden, ergebnislos waren, wollte ich vorübergehend versuchen, durch den Verkauf von Wein, den ich über meinen Mann beziehen konnte, etwas zu verdienen. Es war schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte, denn ich besaß kein Transportmittel, nicht einmal ein Fahrrad, so daß wir alle Wege zu Fuß zurücklegen mußten. Auch konnten wir nur einige Probeflaschen mitnehmen, die wir im Rucksack trugen.
Meinen ersten Verkauf wagte ich in dem Münchner Nobelhotel «Vier Jahreszeiten». Um nicht erkannt zu werden, hatte ich mir eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt und meine Frisur geändert. Wir konnten nicht eine einzige Flasche verkaufen. Unser zweiter Weg führte uns zu dem Luxusrestaurant «Humpelmayer», in dem ich noch vor kurzem von meinen 40,- DM Kopfgeld 6,- DM leichtsinnigerweise für einen Gänsebraten ausgab. Auch hier hatte ich kein Glück. Nun versuchten wir es in größeren Lebensmittelgeschäften und wurden einige Flaschen los. Aber was dabei für uns heraussprang, war so wenig, daß ich allen Mut verlor und die Sache
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