Memoiren 1945 - 1987
Bankbeamter, noch stamme ich aus Wien. Ich war auch niemals bei den Gebirgsjägern und konnte daher nicht aus Gebirgsjägern ausgewählt werden. Es ist auch nicht richtig, daß
2000 Mittenwalder Gebirgsjäger an der Regisseurin des Films vorbeiziehen mußten. Frau Riefenstahl hat mich zum ersten Mal in St. Anton gesehen, wo sie mich für die Rolle des Pedro entdeckte.»
Als während der Gerichtsverhandlung Herrn Kindlers Verteidiger in theatralischer Pose auf mich zeigte und in den Saal rief: «‹Tiefland› darf nie auf einer Leinwand gezeigt werden, denn Sie sind die Regisseurin des Teufels!», brach ich zusammen. Ich war nicht mehr fähig, mich zu verteidigen, was aber ohnehin nicht mehr notwendig war.
Das Gericht hatte sich von der Unwahrheit der «Revue»-Texte bereits überzeugt. Alle Zeugenaussagen hatten dies bestätigt, mit Ausnahme der Zigeunerin Johanna Kurz, der Zeugin der «Revue». Sie hatte behauptet, mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie einige der «Tiefland»-Zigeuner in Auschwitz vergast wurden. Als der Richter sie fragte, ob sie sich noch an Namen erinnern könnte, nannte sie die Familie «Reinhardt». Ausgerechnet damit hatte sie Pech. Der Zeuge Dr. Reinl, mein damaliger Regieassistent, der die Zigeuner in Salzburg in einem Zigeunerlager auswählte, hatte die Familie Reinhardt nach Kriegsende wiedergesehen, was er eidesstattlich erklärte. Aber nicht nur er, sondern auch ich hatte schon vor Monaten zufällig in der Eisenbahn, als ich von Kitzbühel nach Wörgl fuhr, viele meiner «Tiefland»-Zigeuner wiedergesehen. Sie hatten mich mit großer Freude begrüßt und von den Reinhardts berichtet, daß sie wohlauf sind.
Antonia Reinhardt, angeblich in Auschwitz vergast, hatte in einer Zeitung über diesen Prozeß gelesen und mir aus Weilheim geschrieben:
Meine liebe Leni Riefenstahl,
... ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um Ihnen helfen zu können. Bitte, geben Sie mir umgehend Nachricht, wann ich bei Ihnen eintreffen soll und ob ich noch jemand von meinen Geschwi stern oder meine Mutter, welche damals im Film mitgewirkt hat, mitbringen soll, oder genügt es, wenn ich allein komme? Bitte, sind Sie so freundlich und schreiben Sie mir rechtzeitig, damit wir zu dem angesetzten Termin pünktlich eintreffen. Außer mir ist meine Mutter und ein Bruder Zeuge für Sie, die auch in Ihrem Film wa ren. Wir freuen uns schon jetzt auf ein frohes Wiedersehen. Mit freundlichstem Gruß verbleibe ich Ihre
Antonia Reinhardt
Das Gericht stellte fest, daß erst im März 1943 die systematische Verfolgung der Zigeuner begonnen hatte, die «Tiefland»-Aufnahmen in Krün aber schon 1940 und 1941 entstanden waren. Das Lager Maxglan in Salzburg sei kein KZ-Lager gewesen. Die diversen eidesstattlichen Erklärungen, mit denen ich meinen Bericht nicht belasten will, bestätigten einwandfrei den Sachverhalt. Darunter auch die des Schauspielers Bernhard Minetti, einer der letzten noch heute tätigen Großen aus dem Berliner Gründgens-Ensemble. Er erklärte: ... «Die Behandlung der Zigeuner in Krün war mehr als liebevoll. Frau Riefenstahl war wie die meisten ihrer Mitarbeiter geradezu in die Zigeuner verliebt. Die Begeisterung über das unmittelbare Ausdruckstalent von Alt und Jung wie die natürliche Lebensweise der ‹Zigeunerart› war allgemein, so daß die gesamte Arbeitsatmosphäre mehr als gut, sogar fröhlich war. Die Leichtfertigkeit objektiv unrichtiger Behauptungen der Zeitschrift hat mich empört!» Dr. Reinl sagte aus: ...«Die Behauptung, die Zigeuner seien aus KZs geholt worden, ist eine bewußte Lüge, da jedes Kind in Salzburg weiß, daß in Maxglan niemals ein KZ bestanden hat, sondern lediglich ein Auffanglager für umherziehende Zigeuner. Dies erkläre ich an Eidesstatt.»
Ende November 1949 fällte das Amtsgericht München gegen den Herausgeber der damals sehr verbreiteten «Revue» das Urteil. Herr Kindler wurde eines Vergehens der üblen Nachrede für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 600,- DM, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Gefängnisstrafe von zwanzig Tagen sowie zu den Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Herr Kindlers Anwalt, Dr. Bayer, legte Berufung ein.
Zu meinem Erstaunen bat mich Dr. Bayer wenige Tage nach der Urteilsverkündung um eine Unterredung. Ich schwankte, denn ich hatte nicht vergessen, mit welchen Worten er mich im Gerichtssaal beschimpft hatte. Noch heute wundere ich mich, daß ich es damals über mich brachte,
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