Memoiren 1945 - 1987
versprach, die Wahrheit über mich zu berichten, und machte den Vorschlag, eine Serie für die Illustrierte «Quick» zu schreiben. Aber ich war unsicher, fürchtete, mich zu binden und schlug deshalb einen ersten Versuch ohne gegenseitige Verpflichtung vor.
Wir trafen uns im August im Gasthof «Lamm» in Seefeld. Während unserer Spaziergänge bemühte ich mich, die Fragen von Herrn Riess freimütig zu beantworten. Er machte sich Notizen, die er mir am nächsten Tag zu lesen gab. Von Tag zu Tag fiel es mir schwerer zu sprechen, bis ich schließlich kein Wort mehr herausbrachte. Für Gurt Riess, der sich viel erhofft hatte, verständlicherweise eine Enttäuschung. Ich gab ihm Gelegenheit, in den Aktenkoffer mit meinen Urkunden und Dokumenten Einblick zu nehmen, von denen ich damals noch keine Kopien hatte. Für mich ein unersetzbares Material. Später las ich zu meiner Freude in seinem erfolgreichsten Buch, «Das gab’s nur einmal», wie eingehend er über meine Filme, «Tiefland» eingeschlossen, berichtete, wie er 1958 in einer Zeitschriften-Serie unter dem Titel «Hinter den Kulissen» Gleiches tat, und wie sehr er sich außerdem für die Wiederaufführung der Olympiafilme engagierte. Ein Freund in dieser schweren Zeit.
Unter meiner inzwischen eingegangenen Post war keine einzige erfreuliche Nachricht, nur neue Diffamierungen, unbezahlte Rechnungen und Bettelbriefe. Ein Brief machte mich wütend. Er kam vom Finanzamt aus Villingen und erhielt eine Strafverfügung über 50,- DM oder eine Haftstrafe von fünf Tagen. Der Grund: Ich konnte die Vermögenssteuer, die das Finanzamt für meine immer noch beschlagnahmte und bombenbeschädigte Berliner Villa verlangte, nicht zahlen. Daraufhin wollte das Finanzamt die wenigen Möbel, die ich noch besaß, pfänden. In dieser Situation bat ich meinen Anwalt, sich einzuschalten. Da sich einige Journalisten in der Pres
se aufregten, daß mir als Besitzerin einer «Luxusvilla» das Armenrecht gewährt wurde, möchte ich aus dem Schreiben meines Anwalts einige Sätze zitieren, um die Wirklichkeit zu beleuchten:
Das Haus von Frau Riefenstahl in Berlin ist in einem unbeschreib lichen Zustand. In dem stark fliegerbeschädigten Gebäude wohnen fünf Parteien, alle Wasserleitungen sind entzwei, die Heizung ka putt und in den Räumen, soweit sie nicht durch Brandbomben ver nichtet sind, wohnen Leute, die durch einen unbeschreiblich anmutenden Lebenswandel das Letzte, was in dem Haus vorhan den ist, zugrunde richten. Es wurden allein in dem Anwesen 10 Hunde gezählt, Katzen und Hühner, die in dem ehemaligen Bade zimmer untergebracht sind, Sackleinen für Menschen und Tiere und statt der Türen Kohlensäcke. Nach vorsichtigen Schätzungen ist das Haus in einem derartigen Verfall, daß mindestens 50 000 DM gebraucht würden, um es einigermaßen instandzusetzen.
Das war meine «Luxusvilla». Das Finanzamt stundete die Steuer.
Freigegeben und ausgeraubt
D ie «Motion Picture Branch» in München-Geiselgasteig gab mir die Genehmigung, eine Bestandsaufnahme meines Filmlagers bei der Afifa in Berlin zu machen. Es war nicht durch Bomben zerstört — ein unglaublicher Glücksfall. Das bedeutete die Rettung meiner Filme, ausgenommen «Tiefland». Hier lagerten von allen meinen Filmen Dup-Negative und Lavendelkopien, dazu fast 400 000 Meter Olympiamaterial von allen Sportkämpfen, die nicht in meinen Film eingeschnitten werden konnten. In 1426 Büchsen war es aufbewahrt und noch unbeschädigt vorhanden. Dies ergab die Prüfung der Bestände, die im Juni 1950 unter Kontrolle der amerikanischen Dienststelle von meiner Mitarbeiterin Frau Peters durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt fehlte noch keine einzige Filmrolle. Als die amerikanische Filmdivision nach Jahren das Material freigab, war der Bunker leer. Kein Meter des riesigen Olympiamaterials war mehr vorhanden, sämtliche Dup-Negative aller meiner Filme waren verschwunden. Nur eine alte Kopie vom «Blauen Licht» und einige Büchsen mit Kürzungen des Restmaterials dieses Films waren noch da. Dieser Verlust hat mich sehr schwer getroffen. Erst in den achtziger Jahren entdeckten dann amerikanische Studenten, die Doktorarbeiten über meine Olympiafilme schrieben, große Mengen dieses Materials in der «Library of Congress» in Washington und an anderen Plätzen in den USA.
Ich hatte alle Hoffnung aufgegeben, von den Amerikanern meine Filme zurückzuerhalten, und konzentrierte mich wieder auf die Rettung des in
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