Memoiren 1945 - 1987
Frankreich lagernden Filmmaterials. Zu meiner Überraschung erschien bei mir in München Monsieur Desmarais, von dem ich, seit er nach Canada ausgewandert war, nichts mehr gehört hatte. Merkwürdigerweise wurde er von jenem Monsieur Colin-Reval begleitet, der seinerzeit in Paris mitgewirkt haben sollte, daß Desmarais und seine Frau Frankreich verlassen mußten, weil sie mit mir Kontakt aufgenommen hatten und «Tiefland» fertigstellen wollten.
Im Augenblick waren sie beide an «Tiefland» interessiert, ColinReval als Vertreter der deutsch-französischen IFU in Remagen, als deren Direktor er fungierte, und Desmarais als Käufer der Rechte für Canada.
Monsieur Colin-Reval versicherte, nun sei in Paris endgültig alles geregelt, und in kürzester Zeit könnte das Material nach Remagen überführt werden. Beide Herren legten mir Papiere zur Unterschrift vor. So überrascht ich über diese Wendung war und einen Hauch von Hoffnung verspürte, wagte ich dennoch nicht, Papiere von solcher Bedeutung ohne Rechtsbeistand zu unterzeichnen. Außerdem machte mich eine Bedingung mißtrauisch: Ich sollte den Prozeß, den Professor Dalsace beim staatlichen Gerichtshof in Frankreich um die Freigabe meines Eigentums führte, einstellen. Das wäre aber ein großes Risiko. Mein Mißtrauen wurde bald bestätigt. Mainz schrieb aus Paris, Colin-Reval sei durch die französische Regierung aller seiner Funktionen enthoben, und warnte mich, irgendwelche Verträge mit ihm abzuschließen.
Ich war total irritiert und konnte nichts mehr begreifen. Was sich in Paris im Kampf um diesen Film zwischen ganz verschiedenen Interessenten abspielte, war undurchschaubar. Auch Korrespondenzen, die mein Anwalt mit der «Cinémathèque Française» und anderen französischen Organisationen führte, brachten nur Fragen über Fragen mit sich.
Ende Juni 1950 erhielt mein Münchner Anwalt, Dr. Beinhardt, von dem Direktor des «Centre National de la Cinémathèque Française», die höchste zuständige Behörde für diese Angelegen heit, einen folgenschweren Brief, der eine endgültige Entscheidung zu enthalten schien. Der Text:
Paris, 30. Juni 1950 Monsieur,
in Beantwortung Ihres Briefes vom 20. Juni 1950 bedauere ich, Ih nen mitteilen zu müssen, daß es mir unmöglich ist, das Tiefland material zurückzugeben. Es handelt sich zwar unbestritten um deutsches Eigentum, das jedoch auf österreichischem Staatsgebiet während des Krieges verlagert war. Es ist deshalb lediglich die Re gierung dieses Landes dafür zuständig, entsprechend dem interna tionalen Recht über die Verfügung des Films Entschlüsse zu fassen.
gez. Fourre-Corméray
Republique Française
Ein Wahnsinn: Nun sollten meine Filme nach Österreich und die jahrelangen Bemühungen bei den französischen Dienststellen umsonst gewesen sein?
Noch verwirrter wurde ich durch einen Brief des in Filmkreisen der ganzen Welt so geschätzten Film-Archivars Henri Langlois, des Begründers der berühmten «Cinémathèque Française». Er schrieb:
Paris, 11. Oktober 1950 Liebe Frau Riefenstahl,
mit großem Bedauern sehe ich mich gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß es trotz unserer Bemühungen nicht gelungen ist, Ihre Filme zu schützen. Tatsächlich haben wir diese Filme im Depot aufbewahrt, um sie in Ihre eigenen Hände zurückzugeben. Trotz unserer Prote ste sind diese Filme anstatt Ihnen selbst zurückgegeben zu werden — wie wir hofften — einer österreichischen Handelsgesellschaft der Tyrol-Film anvertraut worden. Ich habe es sogar nicht errei chen können, daß die Kopien dieser Meisterwerke des deutschen Films — die einzigartig sind, — dem österreichischen National Archiv anvertraut werden konnten — obwohl es fähig gewesen wäre, den hohen künstlerischen Wert zu schützen und eine gute Aufbewahrung zu sichern.
Ich bin um so untröstlicher, als ich mich der Zurückgabe der Filme nicht entgegengestellt habe in der Meinung, daß Sie es seien, für die sie bestimmt waren. Wollen Sie — liebe gnädige Frau — meiner Ergebenheit versichert sein.
Der Generalsekretär HENRI LANGLOIS
Es erschien mir wie eine Teufelei. Gegen wen hat Herr Langlois protestiert? Wahrscheinlich gegen die Franzosen, die den Ausgang des Prozesses von Professor Dr. Dalsace fürchteten.
Inzwischen waren fünf Jahre
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