Memoiren 1945 - 1987
arm und reich schaffen wird, und der die Kraft hat, die Korruption zu besei tigen. Seine Rassentheorien habe ich, wie Sie wissen, niemals be jaht, dies war auch der Grund, warum ich nicht der Partei beigetreten bin. Ich hatte immer gehofft, daß diese falschen Grund lehren nach Erreichung der Macht verschwinden würden. Nie habe ich bestritten, daß ich der Persönlichkeit Hitlers verfallen war. Daß ich das Dämonische zu spät in ihm erkannt habe, ist zweifellos Schuld oder Verblendung — entscheidend ist ja das innere Erleben, was wir wirklich an Schuld uns aufgeladen haben, was wir gewußt und was wir nicht gewußt haben. Daß viele von den furchtbaren Geschehnissen in den KZs nichts wußten, das wird uns ja nicht geglaubt. Erst nach dem Krieg als Gefangene erfuhr ich von diesen wahnsinnigen Verbrechen. Monatelang konnte ich an so etwas Grau enhaftes nicht glauben, ich bin fast wahnsinnig darüber geworden, und ich fürchtete, daß ich niemals mehr frei werden kann von dem Alpdruck dieses ungeheuren Leidens. Meine Zeilen sind wie eine kleine Beichte. Daß ich gerade Ihnen das sage, kommt daher, daß ich immer das Gefühl hatte, daß Sie in das Innere eines Menschen schauen können und ihn verstehen.
Manfred George antwortete: Seien Sie versichert, daß ich Ihre Mit teilungen, Ihre Sorgen, Ihre Kämpfe mit großer Teilnahme verfolgt habe. Ihr Brief war sehr traurig. Auf der anderen Seite hat er mich ein wenig froh gemacht, gerade weil ich Ihnen gegenüber nie Zuge ständnisse gemacht habe, die aus meiner langen Kenntnis Ihres Wesens und Lebens und nicht zuletzt aus unseren alten Erinnerungen an die Sonnenuntergänge und Spaziergänge in Wilmersdorf hätten kommen können, rechne ich es Ihnen hoch an, daß Sie weder damals noch heute mich falsch gesehen haben. Natürlich erinnere ich mich an diese ganz merkwürdige Zeit, die nachher in einer so ungeheuren Katastrophe enden und uns in zwei so völlig verschiedenen Lagern sehen sollte. Es ist merkwürdig, wie Sie eigentlich trotz aller Erfah rungen, die Sie machen mußten, nicht von der Säure der Ereignisse geätzt worden sind. Ich hoffe, daß ich Sie in gar nicht so langer Zeit irgendwo in Europa, vermutlich in Deutschland, Wiedersehen werde ...
Als ich George wiedersah, sagte er, er habe nicht eine Minute an mir gezweifelt. Wir blieben Freunde, und es war sein Wunsch, mich zu rehabilitieren. Sein viel zu früher Tod, er starb am letzten Tag des Jahres 1965, verhinderte dies. Noch im Sommer zuvor war ich mit ihm während der Berliner Film-Festspiele täglich beisammen.
Wiedersehen mit Harry Sokal
E in anderer Emigrant besuchte mich 1949 in der Hohenzollernstraße. Es war Harry Sokal, mein Produktionspartner vom «Blauen Licht». Er war mit Manfred George nicht zu vergleichen, aber auch er war eine interessante Persönlichkeit. Allerdings hatte ich einen großen Groll auf ihn, weil er mir das Originalnegativ meines Films «Das blaue Licht» ins Ausland entführt hatte, aber behauptete, es sei in Prag verbrannt. Damals hatte ich noch keinen Beweis, daß es eine Lüge war. Erst zwanzig Jahre später erfuhr ich von Kevin Brownlow, dem englischen Filmregisseur, daß sich das Originalnegativ vom «Blauen Licht» in den USA befinde. Ein Bekannter von Kevin, Mr. Georg Rony, besaß es, er hatte es, ebenso wie die Verleihrechte für die USA, vor Kriegsausbruch von Sokal gekauft. Er konnte dies auch beweisen und erklärte sich nach einigen Verhandlungen bereit, mir meine Negative für 6000 US-Dollar zurückzugeben. Aber leider hatte ich das Geld nicht.
Meine Hoffnung, Sokal würde jetzt mit mir die Auslandseinnahmen abrechnen — ich hatte noch keine Mark gesehen —, erwies sich als Irrtum. Statt dessen bot er mir 3000 US-Dollar für die Remake-Rechte vom «Blauen Licht». Zu dieser Zeit war das eine hohe Summe. Sie hätte mich aus meiner Notlage befreit, aber dieses Angebot hatte einen großen Haken. Der Vertragsentwurf enthielt eine für mich unannehmbare Bedingung: die Aufführungsrechte meines Films «Blaues Licht» sollten erlöschen zugunsten der Neufassung. Ein Todesurteil für meinen Film. Auch für eine größere Geldsumme hätte ich meinen Lieblingsfilm nicht geopfert.
Sokal war ein reicher Mann gewesen, der noch rechtzeitig vor der Emigration sein Vermögen bei dem Züricher Bankhaus Baer hinterlegen konnte. Er war ein leidenschaftlicher Spieler und verlor noch vor Kriegsausbruch bei den Spielbanken in Frankreich alles, was er besaß, dabei auch
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