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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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ein Vollziehungsbeamter des Finanzamts vor der Tür, um die inzwischen auf 19 350 DM aufgelaufenen Steuerrückstände für mein Haus in Berlin-Dahlem einzuziehen. Da ich nichts besaß, verlief die Pfändung fruchtlos. Um mich von den Schuldenlasten zu befreien, war ich bereit, mein Dahlemer Haus zu verkaufen. Aber einen Käufer aufzutreiben, war unmöglich. Er hätte den neun darin hausenden mittellosen Parteien neue Unterkünfte besorgen müssen. Daran scheiterte ein Verkauf.
      Unter diesen Umständen war ich froh, als mir mein Anwalt mitteilte, nach monatelangen Verhandlungen hätten sich Helmut Kindler und der Chefredakteur seiner «Revue», Dr. Hans Lehmann, zu einer befriedigenden, außergerichtlichen Einigung bereit erklärt. Die «Revue» hatte eine Entscheidung immer wieder verzögert, weil sie für eine dritte Serie sammelte, die den Titel «Die Millionen der Leni Riefenstahl» tragen sollte. Das hätte unweigerlich zu weiteren Prozessen geführt. Das Urteil der Berliner Spruchkammer konnte nicht widerlegt werden.
      Herr Kindler verpflichtete sich, in Zukunft keine Angriffe mehr gegen mich zu veröffentlichen. Als Entschädigung erhielt ich 10 000 DM, die tatsächlichen Schäden aber gingen in die Millionen, und der moralische Schaden war überhaupt nicht mehr gutzumachen.
      In meiner Lage bedeutete es dennoch viel, daß das Kriegsbeil zwischen Helmut Kindler und mir begraben wurde.

    Aufregende Tage in Wien

    B eunruhigende Nachrichten kamen aus Wien. Meine Freude war, nachdem sich mein Filmmaterial nicht mehr in den Händen der Franzosen befand, nur von kurzer Dauer. Zwischen der Tiroler Landesregierung und den Behörden in Wien war ein Rechtsstreit um den Besitz meiner Filme ausgebrochen. Aus Wien wurde mir mitgeteilt, daß der für Tirol zuständige Treuhänder Herr Würtele abgesetzt und von zwei anderen Herren abgelöst sei. Was sollte ich tun? Dr. Kamitz konnte ich nicht um Rat fragen, da in Österreich Wahlen bevorstanden, die ich abwarten mußte. Ein Freund meines Mannes, der durch seine Stellung bei der Creditanstalt in Wien Einblick in die internen Angelegenheiten des Finanzministeriums hatte, berichtete mir von den zähen Machtkämpfen einzelner Gruppen, die darauf hinausliefen, daß die neuen Treuhänder gemeinsam mit den Franzosen «Tiefland» ohne mich fertigstellen wollten.
      Darum also hatten die Franzosen Würtele um jeden Preis ausschalten wollen! Ihm war es gelungen, an das von der französischen Polizei aufgenommene Verzeichnis meines gesamten beschlagnahmten Eigentums zu kommen und dazu an die Bescheinigung, wann, wo und an wen dieses Material 1946 in Paris übergeben wurde. Auf diese Weise konnte exakt ermittelt werden, was verlorengegangen oder gestohlen worden war — für die Franzosen eine fatale Sache. Sie mußten nun Schadensersatzansprüche der österreichischen Treuhänder befürchten. Aber die von den Franzosen in Wien geforderte Abberufung Würteles war nicht so einfach: Hinter ihm stand die Tiroler Landesregierung, die ihrerseits Anspruch auf mein Eigentum erhob, weil es doch in Tirol beschlagnahmt worden war. Wieder einmal geriet ich zwischen die Mühlsteine zweier Machtblöcke.
      Die Wahlen waren für die bisherige Regierung der ÖVP erfolgreich ausgegangen, und Dr. Kamitz blieb Finanzminister. Schon zwei Tage nach meiner Ankunft in Wien konnte ich ihn sprechen. Die Unterredung verlief erfolgreich, denn in der Zwischenzeit hatte die Überprüfung der Urkunden und Handelsregisterauszüge ergeben, daß ich die alleinige Inhaberin meiner Firma war. Damit war den Fran zosen jede Manipulation mit meinem Film endgültig verwehrt.
      Es kam der große Augenblick, in dem ich in die Kopieranstalt gehen durfte und nach acht Jahren mein Filmmaterial wiedersah. Ich war erregt und bewegt, als meine Hände die Filmstreifen berührten. Bald zeigte sich, daß die Treuhänder ohne meine Hilfe mit den unzähligen Filmkartons nicht zurechtkamen. Es ging ja nicht nur um das «Tiefland»-Material, sondern auch um die Originalnegative und Lavendelkopien der Olympiafilme und um die Bergfilme.
      Von nun an war ich von früh bis nachts mit dem Sortieren des Materials beschäftigt. Das «Tiefland»-Material befand sich in keinem guten Zustand, es fehlten die Schnittkopien und ein Drittel der ausgesuchten Negative, Teile des vorhandenen Materials waren verstaubt und voller Kratzer. Es würde größte Mühe erfordern, es zu regenerieren. Um weiterarbeiten zu können, war vor allem

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