Memoiren 1945 - 1987
Kapital erforderlich. Ich selbst konnte weder die Kleberinnen noch die Schneideraummiete bezahlen.
Täglich hatte ich Termine über Termine und mußte in allen möglichen Ministerien von einer Abteilung zur anderen laufen. Wenn ich glaubte, etwas Greifbares in Händen zu haben, zerrann alles wieder in ein Nichts. Vieles wurde mir versprochen, aber wenig gehalten. Schließlich zeichnete sich doch eine Möglichkeit ab. Meine Wiener Treuhänder schlugen mir vor, eine Firma in Wien zu gründen, um durch einen Pachtvertrag mit dem Finanzministerium den Film fertigzustellen. Aber niemand hatte Geld für eine solche Firmengründung, und dabei ging es nur um 10 000 Schilling.
Da entschloß ich mich, sehr schweren Herzens, mein Haus in Dahlem zu verkaufen. Ich hätte kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können als das Frühjahr 1953, aber um weiterzukommen, benötigte ich dringend Geld. Für diesen herrlichen, von mir kaum bewohnten Besitz, auf einem Grundstück von fast 5000 Quadratmeter und nur zehn Autominuten vom Kurfürstendamm in einer Waldlandschaft gelegen, bekam ich lediglich 30 000 DM, da der Käufer für die neun Mietsparteien neue Wohnungen beschaffen mußte. Schon nach wenigen Jahren hätte ich mehr als eine Million erhalten. Aber ich befand mich in einer Zwangslage.
Mit dem Geld gründete ich am 16. Juni 1953 in Wien die «JuntaFilm GmbH». Mein österreichischer Partner war mein früherer Mitarbeiter, Otto Lantschner. Aber dies bedeutete noch lange nicht, daß wir beginnen konnten. Immer neue Genehmigungen waren er forderlich. Ich benötigte einen Anwalt, einen Steuerberater, vor allem aber einen Verleihvertrag, um über die notwendigen Mittel zur Fertigstellung des Films verfügen zu können.
Inzwischen durchsuchten vier Damen im Wiener Kopierwerk die gewaltigen Mengen an Material, um die wichtige Schnittkopie von «Tiefland» zu finden. Auch fehlten vier Negativrollen — dieses fast unersetzbare Material blieb unauffindbar. Mir blieb nichts anderes übrig, als nach Paris zu fahren, um dort eine Suchaktion in die Wege zu leiten. Mein erster Weg führte mich zur «Cinémathèque Française», wo ich durch Madame Meerson unerwartete Hilfe erhielt. Sie veranlaßte, daß mehrere Bunker durchsucht wurden, aber man fand nichts. Ich war verzweifelt. Über das französische Außenministerium kam ich mit Monsieur Louis François Poncet zusammen, der sich bereit erklärte, die Suchaktion in Frankreich fortzusetzen. Ich mußte nach Wien zurück. Hier war zwar inzwischen der Pachtvertrag unterzeichnet worden, aber meine Firma besaß noch keine Konzession. Der Wiener Treuhänder, Herr Lorbeck, mußte die «Plessner-Film» in Kufstein einschalten. Alles war sehr umständlich, zeitraubend und kostete viel Geld.
Erfreulich dagegen, daß in München durch den bekannten Filmanwalt Dr. Wolf Schwarz ein günstiger Verleihvertrag mit der «Allianz-Film» zustande kam, und daraufhin sich auch ein größerer österreichischer Verleih, die «International-Film», «Tiefland» sicherte.
Nun hoffte ich endlich, mit der Arbeit beginnen zu können. Und wieder stand mir Dr. Arnold bei. In nur einer Woche richtete er mir bei «ARRI» einen perfekten Schneideraum ein. Aber bevor ich mit dem Schneiden beginnen konnte, gab es weitere Aufregungen. Herr Würtele, der sich seiner Abberufung als Treuhänder widersetzte, versuchte den Transport des Materials nach München zu verhindern. Im Namen der Tiroler Landesregierung verlangte er, der Film müsse in Innsbruck geschnitten werden, andernfalls er sich mit den Franzosen zusammentun werde. So entspann sich ein letzter, heißer Kampf zwischen Tirol und Wien, der dann Gott sei Lob und Dank von Wien gewonnen wurde.
Als die erste Filmsendung endlich in München eintraf, war es schon September geworden — und die «Allianz» hatte schon für Ende November die Premiere angekündigt. Wir legten ein irres Arbeitstempo vor. Zu viert saßen wir bei «ARRI» im Schneideraum, oftmals Tag und Nacht — wie in alten Zeiten.
Aus Paris teilte mir François Poncet mit, daß die Suchaktion erfolglos war. Nun mußte ich aus dem vorhandenen Material eine neue Fassung schneiden, eine schwierige Aufgabe. Wichtige Komplexe fehlten, vor allem der in Spanien gefilmte Komplex der «Dürre», was die Handlung des Films verflachte.
Die Musikaufnahmen wurden Anfang November in Wien gemacht. Nach unserem Wunsch sollte Herbert von Karajan die Wiener Symphoniker
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