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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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heimlich aus dem Hospital zu bringen. Sobald ich das erste Mal in den Garten gehen durfte, würde er mich mit seinem Wagen nach Arusha entführen, wo seine Frau mich gesund pflegen sollte. Die Flucht aus dem Hospital fiel mir leicht.
      Als ich neben Six wieder in einem Geländewagen saß, hatte ich Unfall und Schmerzen vergessen. Noch stärker als während meiner ersten Fahrt sog ich die afrikanische Landschaft in mich ein. Plötzlich packte ich Six am Arm und rief: «Halten, halten!»
      Er sah mich verblüfft an. Am Rande der sandigen Straße gingen zwei königliche Gestalten. Ohne unser Fahrzeug eines Blickes zu würdigen, gingen sie mit weiten Schritten vor uns her. Sie waren in ockerfarbene Gewänder gekleidet, die auf einer Seite verknotet waren, auf den Köpfen trugen sie einen seltsamen Schmuck aus hohen schwarzen Straußenfedern, und in den Händen hielten sie Speere und Schilder. Bis zu diesem Augenblick hatte ich noch nie afrikanische Eingeborene in dieser ihrer Ursprünglichkeit gesehen, immer nur solche, die europäisch gekleidet waren. Ich war hingerissen und fotografierte sie — ich wollte sie kennenlernen. Doch Six fuhr weiter.
      Ich schrie ihn an: «Wir müssen die beiden mitnehmen!»
      Er sagte trocken, abfällig: «Nein, die stinken mir zu sehr. Die nehme ich nicht mit.»

      Ich war wütend. Als ich mich nach den beiden Männern umdrehte, sah ich nur aufgewirbelten Staub. Die Gestalten waren im Dunst verschwunden. «Was ist das für ein Stamm?» fragte ich.
      «Masai», sagte Six kurz. Ihn interessierten sie nicht. Für mich aber wurde diese flüchtige Begegnung der Anfang eines langen Weges, der mich Jahre später zu meinen Nuba führte.
      Damals, 1956, galten die Masai noch als die unzugänglichen Herren der ostafrikanischen Savanne. Sie hatten den Nimbus der hochmütigen Unnahbarkeit. Ich könnte kaum erklären, warum ich von ihnen so fasziniert war. Hemingway hat sie einmal so beschrieben: «Sie waren die größten, bestgewachsenen, prächtigsten Menschen, die ich je in Afrika gesehen hatte.»
      In Arusha wurde ich durch Frau Six gesund gepflegt. Ich gab keine Ruhe, George Six zu bitten, mich trotz seiner Abneigung gegen die Masai zu einem ihrer Krale zu führen. Schließlich gab er nach. Ich konnte ihn überzeugen, es wäre für unser Filmvorhaben überlegenswert, sie in die Handlung einzubeziehen.
      Die erste Verbindung zu den Masai war nicht sehr ermutigend. Masaifrauen warfen mit Steinen nach mir, und die Kinder liefen weinend davon, während die Männer mich aus einiger Distanz beobachteten. Ich respektierte ihre Scheu und fotografierte nicht. Aber ich kam jeden Tag wieder, setzte mich ins Gras oder auf einen Stein und las in einem Buch. So gewöhnten sie sich langsam an meine Anwesenheit, die Kinder kamen näher, die Frauen warfen keine Steine mehr, und es war für mich fast wie ein Sieg, als sie eines Tages vor mir standen, und die Kinder und die Frauen lachten. Nun war das Eis gebrochen. Ich durfte in ihre dunklen Hütten gehen, mich von ihnen anfassen lassen und aus ihren Kalebassen, die sie mir anboten, Milch trinken. Schließlich erlaubten sie mir auch das Fotografieren. Als ich mich nach wenigen Tagen von ihnen verabschieden mußte, hielten sie mich an den Armen fest und wollten mich nicht mehr fortlassen.
      So begann meine große Liebe zu den Naturvölkern Afrikas.

    Wieder in Deutschland

    M eine Mutter war mir bis Rom entgegengekommen, und glücklich schloß sie mich in ihre Arme. Sie war überrascht über mein Ausse
    hen und sagte: «Du siehst ja so gesund aus.»
      «Das bin ich auch, ich könnte Bäume ausreißen», sagte ich im Überschwang meiner Freude. «Afrika hat mir meine Kräfte zurückgegeben — es ist ein phantastisches Land.»
      Ich kam nicht mit leeren Händen. Noch in den letzten Tagen erhielt ich von der «Stan Lawrence-Brown Safaris» einen Vertrag für meine Verhandlungen in Deutschland, der so günstig war, daß ich nicht zweifelte, dieses Mal die restliche Finanzierung für «Die schwarze Fracht» zu erhalten. Stan und George Six waren von diesem Filmprojekt so begeistert, daß sie auf eigenes Risiko bereit waren mitzumachen. Zum Selbstkostenpreis von monatlich nur 2700 englischen Pfund war die Gesellschaft bereit, folgende Sachwerte zur Verfügung zu stellen: Zwei Vierrad-Geländewagen und drei bis vier 5-Tonnen geländegängige Lastwagen, 3 Jäger, inclusive George Six, vollständige Verpflegung aller Personen, auch für

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