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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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auf dem Landeplatz trostlose Baracken, an denen die Fluggäste abgefertigt wurden. Nichts erinnerte an die Traumvision, die mich am Morgen im Sudan so verzaubert hatte. In der steilen Mittagssonne sah alles nüchtern und kahl aus. Als ich mich dem Bretterzaun vor der Flughafenbaracke näherte, sah ich zwei Männer, anscheinend Jäger mit großen Hüten, wie man sie aus Wildwestfilmen kennt, neben ihnen eine Dame, die einen Blumenstrauß in Händen hielt.
      Ich kannte sie nicht und war überrascht, wie herzlich sie mich begrüßten und mir ihre Blumen überreichten. Der Jüngere der beiden sagte: «Willkommen in unserem Land, wir freuen uns, daß Sie gekommen sind. Leider konnte Dr. von Nagy uns nicht begleiten, er befindet sich noch auf der Momella Farm in Tanganjika», und, auf seinen Begleiter zeigend, «dies ist Stan Lawrence-Brown.» Wie mir schien, sagte er es mit leichtem Spott: «Afrikas berühmtester Whitehunter — und das ist seine Frau Ronnie. Ich heiße George Six und kenne Sie schon seit zwanzig Jahren.»
      «Ich kenne Sie aber nicht», sagte ich betroffen.
      Mr. Six lachend: «Bei den Olympischen Spielen in Berlin konnte ich Sie fast täglich im Schwimmstadion beobachten, wenn Sie mit Ihren Kameraleuten die Schwimmer beim Training filmten. Ich war Mannschaftsführer der englischen Schwimmer.»
      Einen liebenswürdigeren Empfang hätte ich mir in Nairobi nicht wünschen können.
      Von nun ab ging alles in einem atemberaubenden Tempo vor sich. Nach Erledigung der Zollformalitäten wurde ich in das «New Stanley-Hotel» gebracht. Es liegt im Zentrum Nairobis und war noch immer, wie Hemingway es beschrieben hatte, der pulsierende Mittelpunkt des Lebens dieser Stadt. Hier trafen sich vor allem die Whitehunter mit ihren Kunden, hier wurden die Safaris besprochen, und hier erfuhr man, was sich in Kenia ereignete. Üblicherweise mußte man im «New Stanley» wochenlang vorher buchen, aber für Stan Lawrence-Brown war dies kein Problem — er bekam immer ein Zimmer.
      Wir aßen auf der Terrasse des Hotels zu Mittag. Das Klima war angenehm wie im Sommer im Engadin, und im Gegensatz zu dem nicht sehr einladenden Flughafenambiente waren die Straßen und Plätze Nairobis mit blühenden Bäumen bepflanzt, ein seltener Anblick in einer Stadt.
      «Sie haben einen Filmstoff mitgebracht?» fragte Stan mich etwas neugierig betrachtend. «Können Sie uns darüber etwas erzählen?» Ronnie unterbrach ihn. «Du wolltest doch Frau Leni heute noch den National-Park zeigen — du solltest fahren, sonst wird es zu dunkel.»
      «Wollen Sie Löwen sehen?» fragte mich Stan.
      So hundemüde ich war, sagte ich erwartungsvoll «Ja.»
      Wenig später kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was ich bisher nur aus Filmen und Büchern kannte, erlebte ich nun in unmittelbarer Nähe. Es war unfaßbar. Noch vor 24 Stunden hatte ich frierend auf einem naßkalten Flughafen herumgestanden, nun war ich mitten in Afrikas Steppenlandschaft mit seinen Schirm akazien und pittoresken Bäumen. Wir sahen die ersten Tiere, und schon saßen sie auf dem Dach unseres Wagens, große und kleine Affen. Ich hatte meine beiden Leicas mitgenommen und bald die ersten Filme verschossen. Wir erblickten Giraffen, erst zwei, dann vier und dann ein ganzes Rudel. Zebras, Kudus und Antilopen kamen in die Nähe. Bald danach sichteten wir den ersten Löwen, daneben eine Gruppe von vier weiteren.
      Vom National-Park zurückgekehrt, war ich abends Gast der Familie Lawrence-Brown. Ungefähr zwanzig Kilometer von Nairobi entfernt, in Lagata, lag ihr wunderschönes Haus in großer Einsamkeit. Ich hörte, daß schon Leoparden die Hunde getötet hatten, die auf der Veranda schliefen. Gefährlich aber war für Frau LawrenceBrown, daß sie oft viele Monate allein mit ihren zwei weißblonden Kindern in diesem Mau-Mau-Gebiet war, nur von ihren schwarzen Dienern umgeben. Ihr Mann war manchmal bis zu einem Jahr auf Safari unterwegs. Sie zeigte mir ihren Revolver.
      Nach dem Abendessen mußte ich ihnen von meinen Filmplänen erzählen und die Kurzfassung der «Schwarzen Fracht» vorlesen. Wären die Filmproduzenten in Deutschland nur halb so begeistert gewesen wie meine Gastgeber, wäre die Finanzierung kein Problem gewesen. «Der Film muß gemacht werden», sagte Stan, «ein großartiger Stoff.» Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Dann fuhr er fort: «Wir werden Ihnen helfen — ich muß darüber nachdenken, morgen werden wir uns weiter

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