Memoiren 1945 - 1987
verlief, wie schon in letzter Zeit, harmonisch. Seit unserer Scheidung waren mehr als zehn Jahre vergangen, und fast solange hatte es gebraucht, bis ich diese schwersten Jahre meines Lebens überwunden hatte. Ohne das Erlebnis Afrika wäre es mir vielleicht nie gelungen.
Als erstes Ziel für die Motivsuche hatte Six wieder den im Norden Kenias gelegenen Tana River gewählt. Wir fuhren auf derselben Straße, auf der sich vor vier Monaten unser Unfall ereignet hatte. Als wir zu der kleinen Brücke kamen, von der der Wagen in die Tiefe gestürzt war, bekam ich Herzklopfen. Ich bat Six, mich aussteigen zu lassen — es fehlte mir der Mut, noch einmal über diese Brücke zu fahren. Schnell lief ich hinüber, ohne in das Flußbett zu schauen, und beobachtete ängstlich, wie der Geländewagen im Schrittempo über die geländerlose schmale Holzbrücke fuhr. Meine Angst war mehr als berechtigt. Als unser zweites Fahrzeug, ein 5-Tonnen-LKW, über die Brücke schaukelte, schwankte der hoch beladene Wagen so heftig, daß einige der schwarzen Boys, die oben auf den gestapelten Kisten saßen, in das ausgetrocknete Flußbett fielen — Schreie ertönten, und ich sah, wie die anderen Schwarzen sich verzweifelt an den Stricken hielten, die die Gepäckstücke umspannten. Entsetzt sah ich, wie sich der Lastwagen seitlich neigte, das linke Vorderrad war von der Holzplanke abgerutscht und hing in der Luft — ich konnte nicht mehr hinschauen. Aber dem Fahrer gelang das Kunststück, das Umkippen der Lorre zu verhindern.
Vor Einbruch der Dunkelheit wurde das Zeltlager in einer unglaublich schönen Urwaldlandschaft errichtet. George Six behandel te die verunglückten Boys, von denen einer, schwer verletzt, ins Hospital nach Nairobi gebracht werden mußte.
Nur ein begnadeter Schriftsteller oder Dichter könnte die Atmosphäre beschreiben, die wir in dieser Tropennacht und in den folgenden Tagen erlebten. Unvergeßlich der Morgen. Während wir in den ersten Sonnenstrahlen unser Frühstück einnahmen, sahen wir durch die Büsche die Köpfe großer Giraffen, die uns ohne Scheu beobachteten.
Helge, der zum ersten Mal Afrika erlebte, benahm sich wie in einem Rausch. Es fiel mir auf, wie er immer schweigsamer wurde und fast wie ein Traumtänzer mit verzücktem Ausdruck im Lager herumging. Als die Zelte abgebrochen wurden, vermißten wir ihn. Er war verschwunden. Beunruhigt machte sich Six auf die Suche. Ich begleitete ihn. Plötzlich blieb er stehen und deutete in eine Richtung. Fassungslos sah ich, wie Helge inmitten einer Elefantenherde herumspazierte. Es sah so aus, als wollte er die Tiere streicheln. Six war blaß geworden. Jedes Geräusch vermeidend, kehrten wir ins Lager zurück, wo er sich sein Gewehr holte und einen kleinen Beutel mit Mehl. Dann schlich er, begleitet von Mr. Bryon, unserem zweiten Jäger, durch das hohe Gras an die Elefantenherde heran. Durch den Mehlbeutel, den Six ab und zu in die Höhe hielt, konnten sie die günstigste Windrichtung feststellen in der sie sich bewegen mußten, um nicht durch ihren Körpergeruch von den Elefanten zu frühzeitig bemerkt zu werden. Atemlos verfolgte ich diese aufregende Situation — hatte Helge den Verstand verloren? Er mußte doch wissen, daß Elefanten keine Lämmer sind. Da sah ich, wie die beiden Männer sich aufrichteten und auf die Elefanten zugingen. Die Herde, unter der sich auch junge Tiere befanden, setzte sich langsam in Bewegung und trabte davon. Zurück blieb, ohne Ahnung, in welch einer gefährlichen Lage er sich befunden hatte, Helge.
Mit Recht war Six als verantwortlicher Expeditionsleiter aufgebracht. Er verbot uns, das Lager auch nur einen Augenblick zu verlassen. Kaum ein Tag verging, an dem nicht irgend etwas Ungewöhnliches passierte. Die Motivsuche führte uns immer mehr nach Norden in die Nähe der abessinischen Grenze. Wir waren auf der Suche nach abseits gelegenen Eingeborenen-Siedlungen. Hier lebten die Samburus, die Suks, die Turkaner, Callas und die Rendilles, aber bisher waren wir nur einzelnen Afrikanern begegnet, die uns scheu und mißtrauisch aus dem Wege gingen. Helge und ich waren von diesen fremdartigen Menschen fasziniert, während Six, wie schon damals bei meiner ersten Begegnung mit den Masai, mit ihnen nichts zu tun haben wollte. Für meine Arbeit war das nicht gut.
Unsere Wagen hatten längst die Pisten verlassen, und wir kamen nur noch schrittweise in dem unwegsamen Gelände voran. Alle paar Stunden mußten unsere
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