Memoiren 1945 - 1987
beiden Geländefahrzeuge aus dem tiefen Sand ausgegraben werden, oftmals konnten sie nur mit dem Baumseil herausgezogen werden. Bis auch dies eines Tages nicht mehr half. Stundenlang bemühten sich Six und der Fahrer, den schweren Lastwagen mit einer Seilwinde aus dem Sand zu ziehen. Aber immer tiefer bohrten sich die Räder in die Erde. Erschöpft wurden die Versuche in der Dämmerung aufgegeben. Die Situation war ernst, denn in diese Gegend kam kein Mensch, und unsere Wasservorräte waren knapp.
Es gab nur die Möglichkeit, mit dem Jeep nach Nairobi zu fahren, um Hilfe zu holen. Mr. Bryon mußte mit den meisten Schwarzen zurückbleiben, da Six, außer Helge und mir, nur zwei Boys mitnahm. Bei dieser Rückfahrt erlebte ich Gefahren, die immer in Afrika entstehen können, wenn ein Fahrzeug, ohne die Begleitung eines zweiten, durch unwegsames Gelände in menschenleeren Gegenden unterwegs ist. Das Fahren auf den holprigen Sandwegen war eine Tortur. Mein Kopf schlug einige Male so heftig an die Decke, daß ich glaubte, mir die Wirbel gebrochen zu haben. Plötzlich krachte es, der Wagen stand still. Ängstlich beobachtete ich Six, was er feststellen würde.
«Die Vorderachse ist gebrochen», sagte er mißmutig. Ich fragte nach der Ersatzachse und war entsetzt, als Six erklärte, seine Boys hätten sie irgendwo verräumt. Er ließ nach der Achse suchen, sie war aber nicht zu finden.
Dann schickte Six die Boys nach Wasser weg, auch sollten sie feststellen, ob es in dieser verlassenen Gegend Eingeborenen-Hütten gab. Zwei Zelte wurden aufgestellt. Six hatte sein unbekümmertes Lachen verloren. Nur Helge lächelte noch immer verklärt.
Die Nacht war sternenklar und kühl. Ich zog mir einen dicken Wollpullover an und setzte mich auf eine Eisenkiste. Mein Blick schweifte über die vom Mondlicht erhellte Wüstenlandschaft, die in grandioser Einsamkeit vor mir lag. Plötzlich stand, wie aus dem Boden gezaubert, ein dunkelhäutiger Knabe vor mir. Mit einer Geste deutete er in die Ferne — ich sollte ihm folgen. Er war wie ein Nomade gekleidet. Leichtfüßig schritt er mir voran. Nach einiger Zeit sah ich die Silhouette einer Palmengruppe. Man hörte außer unseren Schritten keine Stimmen oder Geräusche. Es war, als wäre die Zeit stehengeblieben. Aus dem Schatten der Palmen kam ein großer Mann auf uns zu. Mit einladender Geste bat er uns, in seinen Kraal zu kommen. Ich betrat nun ein Nomadenlager, das mit dichtgeflochtenen Strohmatten eingezäunt war. Dort lagen und standen Kamele, Esel, Ziegen und weitere Tiere. Der Nomade bot mir eine Schale Kamelmilch an. Sie schmeckte streng.
Der Sternenhimmel, die Palmen, die Kamele, der Beduine, Bilder wie aus der Bibel. Dann entdeckten meine Augen in der Dunkelheit einige aus Matten angefertigte Zelte. Der Hausherr ließ mich in eines hineinschauen. Auf einer breiten, sauber geflochtenen Strohmatte lag eine junge, schöne Frau, mit langem tiefschwarzem Haar. Sie war nicht verschleiert, aber in farbige, bestickte Tücher gehüllt. An den Armen trug sie goldene Ringe. Sie zeigte kaum Befangenheit. Nachdem sie einige Worte mit ihrem Mann gesprochen hatte, führte er uns zu dem zweiten Zelt. Auch hier sah ich eine mit Gold reich geschmückte, etwas ältere, aber immer noch schöne Frau auf dem Strohteppich liegen. Voller Stolz zeigte er mir das dritte Zelt. Hier erblickte ich auf dem Lager eine ganz junge Frau, die ein kleines Kind im Arm hielt. Mein Gastgeber mußte ein sehr reicher Beduine sein. Drei Zelte, drei Frauen. Der Blick in diese fremde Welt war verwirrend. Nachdem ich noch mit Datteln und Feigen bewirtet wurde, verabschiedete ich mich herzlich. Der Knabe brachte mich wieder zu meinem Zelt zurück.
Am Morgen des vierten Tages eröffnete mir Six, er sehe keine Möglichkeit mehr, mit dem Wagen die Motivsuche fortzusetzen, man könnte es nur mit einem kleinen Sportflugzeug versuchen. Über Radio habe er eine Maschine aus Mombasa angefordert. Damit wurde der Kostenvoranschlag schon überschritten.
Die winzig kleine Maschine, von einem englischen Piloten geflogen, die nach einigen Stunden tatsächlich in der Nähe unserer Zelte landete konnte nur zwei Personen mitnehmen. Wir mußten Helge zurücklassen. Six schlug vor, daß der Pilot den Tana River-Fluß erst westwärts bis zum Quellgebiet abfliegen sollte, möglichst niedrig, um die Motive gut zu erkennen.
Schon nach einer halben Stunde war Six so schwer luftkrank, daß der Pilot sich weigerte,
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