Memoiren 1945 - 1987
Herren der FSK von meinen Argumenten zu überzeugen, bis sie mir einen Kompromißvorschlag machten. Sie rieten mir, einen Kommentar zu dem Film zu machen, in dem die Tragik der Jugend dieser Zeit zum Ausdruck kommt, die sich der Olympischen Idee verschrieben hatte und wenige Jahre später ihr Leben für einen Krieg hingab, der sie zwang, gegeneinander zu kämpfen.
So überlegenswert der Gedanke auch war, ich konnte ihn mir nicht zu eigen machen. Dann würde ein reines Sportdokument zu einem politischen Film werden, und mußte ein solcher Kommentar dann nicht jedem Olympia-Film folgen? Die Jugend von heute kann morgen schon Opfer eines Atomkriegs sein.
Otto Mayer, der Kanzler des IOC, und Carl Diem kamen mir zur Hilfe. Ihre Briefe und Gutachten erreichten, daß bei einer zweiten Prüfung auch der I. Teil mit einigen kleinen Schnittänderungen freigegeben wurde, sie betrafen deutsche Siegerehrungen. Allerdings nur mit der Einschränkung: erst ab 18 Jahren — eine unverständliche Entscheidung. In der ganzen Welt lief der Film jugendfrei, selbst im Vatikanstaat.
Die FSK begründete dies damit, daß in dem Prolog des Films bei einer reifenschwingenden Tänzerin der unbekleidete Oberkörper zu sehen war. Ein lächerliches Argument. Auf meinen Einspruch teilte mir die FSK «großzügig» mit, eine Freigabe für Jugendliche wäre möglich, wenn dieses Mädchen herausgeschnitten oder ein dunkler Schatten über die Brust gelegt würde. Einfach grotesk. Da ich die Aufnahmen wegen der Musik nicht herausschneiden konnte, mußte ich in einem für mich kostspieligen Trickverfahren einen dunklen Schatten über die Brust legen lassen. Aber auch das genügte der FSK noch nicht. Sie telegrafierte:
«Das von Ihnen eingereichte überdunkelte Bild mit der reifenschwingenden
Tänzerin vor dem Ährenfeld kann nicht freigegeben werden — stop — wir bitten
um neuen Vorschlag
Selbstkontrolle.»
Die FSK machte sich immer lächerlicher. Was blieb mir übrig, als
den Trickmeister der «Bavaria», Herrn Nischwitz, zu bitten, den Schatten so schwarz zu machen, daß man die Brust darunter nicht mehr sehen konnte. Erst nachdem ich die neue Trickblende eingereicht hatte, telegrafierte die Selbstkontrolle: «Eingereichter Schnitt mit Reifenschwingerin geht in Ordnung.» Das war kein Scherz — ich habe mir die «Brustdepeschen» gut aufgehoben.
Noch aufregender wurde der Kampf um die Prädikatisierung. Um einen guten Verleihvertrag zu bekommen, war ein Prädikat wegen der damit verbundenen Steuervorteile lebenswichtig. Niemand zweifelte, daß die Olympiafilme das Prädikat «Besonders wertvoll» erhalten würden. Er wurde ja nicht nur mit der Olympischen Goldmedaille, sondern auch als bester Film der Welt 1938 auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet. Die Filmbewertungsstelle teilte mir jedoch mit, der Film könnte leider kein Prädikat erhalten. Selbst Herr Blank, ihr Vorsitzender, war verblüfft. Er hatte mir gesagt, auch politische Filme mit stark kommunistischer Tendenz und Filme, die vor 1940 im Dritten Reich hergestellt wurden, hätten das höchste Prädikat erhalten. In der Begründung kritisierte die FBW vor allem die viel zu häufige Anwendung von Zeitlupenaufnahmen. Da waren beispielsweise die Schweden und weitere Nationen anderer Meinung. Das «Svenska Dagbladet» beurteilte das so:
«Eine Tatsachenreportage, die zu einer Dichtung erhöht ist. Sie zeigt Wege zu
einer neuen Filmwelt, die bisher noch kaum entdeckt wurden. Diese Bildsinfonie
ist eine lehrreiche Dokumentation filmischen Rhythmus, mit derselben Musikali
tät komponiert und geschnitten wie der, der eine Orchesterpartitur schafft ...»
So gab es Hunderte von internationalen Kritiken, aber die Filmbewertungsstelle nahm das nicht zur Kenntnis. Proteste, wie die des Schweizer IOC-Präsidenten Otto Mayer, der im Namen des IOC an die Filmbewertungsstelle die Bitte richtete, diesem Film ein Prädikat zu verleihen, da er die beste Darstellung der Olympischen Spiele ist, die je gezeigt wurde, blieb ohne Echo. Auch der Appell des maßgebenden deutschen Filmkritikers Dr. Gunter Groll und zahlreicher in- und ausländischer Persönlichkeiten um eine Revision blieben erfolglos.
Obgleich ich kaum noch einen Funken Hoffnung hatte, legte ich trotzdem den gesetzlich erlaubten Einspruch ein. Nachdem dieser auch abgelehnt wurde, machte ich einen letzten verzweifelten Versuch. Ich wandte mich an die unmittelbar der FBW übergeordnete höchste
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