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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Vor meiner Abreise mußte ich noch eine Woche täglich eine Spritze im Krankenhaus bekommen. Es war Spätherbst und meist schon dunkel, wenn ich zur Widenmayerstraße in die Klinik von Dr. Westrich fuhr und die Zeit, bis ich die Spritze bekam, kaum abwarten konnte. Erst nach der Injektion fühlte ich mich besser und nicht mehr so deprimiert.
      Als mich eines Abends die Schwester im Wartezimmer sah, sagte sie: «Sie sind aber schon ganz schön süchtig.»
      «Ich süchtig?» fragte ich. «Was sind denn das für Spritzen, die ich bekomme?»
      Erstaunt sah mich die Schwester an. «Morphium, wußten Sie das nicht?»
      «Nein», sagte ich fassungslos, «das ist nicht möglich. Ich vertrage doch kein Morphium, ich habe es nie vertragen.»
      Die Schwester: «Das ist nicht das übliche Morphium, es ist eine
andere Zusammensetzung, die hat einen anderen Namen.»
    «Danke, Schwester. Ich gehe. Ich möchte keine Spritzen mehr.»
      Zuhause zertrampelte ich die Ampullen, die ich nach Spanien mitnehmen sollte. So groß war meine Angst, süchtig zu werden. Die Tage ohne die Spritzen waren qualvoll. Erst nach einer Woche hatte ich diese Krise halbwegs überstanden. Wenn ich im Film oder Fernsehen drogensüchtige Menschen sehe, überfällt mich jetzt noch Angst.

    Noch einmal: Olympia 1936

    W ie vor zwei Jahren wohnte ich in Madrid bei meinem Jugendfreund und Tennislehrer Günther Rahn in seiner schönen geräumigen Wohnung in der Alfonso XII, ganz in der Nähe des Gourmet-Restaurants «Horcher», das früher in Berlin, bis in die Zeit des Krieges hinein, der Treffpunkt der eleganten Welt war. Es erinnerte mich an die glückliche Zeit meiner Jugendjahre, in der Ernst Udet mich öfter in dieses Luxus-Restaurant eingeladen hatte.
      In dieser sonnigen Stadt, in der man den Menschen ihre Sorgen nicht ansah, und in der Nähe von Günther, der trotz eigener Probleme immer freundlich, hilfsbereit und voller Humor war, ging es mir langsam besser. Als es in Madrid kühl wurde, erreichte Günther, daß ich zu Freunden von ihm in den Süden Spaniens fahren konnte, nach Torremolinos. Sogar in dieser Jahreszeit, es war Oktober, konnte ich da noch im Meer schwimmen. Die Saison war vorbei, und im Ort und am Strand sah man nur wenige Menschen. Ich genoß die Einsamkeit.
      Immer wenn ich im Leben schwere Krisen durchmachte, konnte ich mich in den Bergen oder in südlichen Ländern wieder regenerieren. So auch dieses Mal. Die stundenlangen Spaziergänge am Meer beruhigten und ermüdeten mich, so daß ich wieder schlafen konnte. Der Schlaf, das spüre ich auch heute noch, ist eine ungemein kraftspendende Quelle.
      Die aus München nachgesandte Post wollte ich am liebsten gar nicht lesen. Ich fürchtete mich vor neuen Hiobsbotschaften. Als ich sie dann aber doch las, war ich erstaunt und konnte es zuerst kaum glauben, daß ich von drei verschiedenen deutschen Filmklubs aus Berlin, Bremen und Hamburg eingeladen wurde. Wie war das möglich — was war geschehen? Ich sollte Vorträge halten, meine Bergfilme und, was mich mehr überraschte, auch meine Olympiafilme vorführen.
      Aber wo die Kopien hernehmen? Mein seit elf Jahren in Frankreich beschlagnahmtes Archiv, in dem sich die gewünschten Filme alle befanden, war erst kurz vor meiner Reise nach Afrika freigegeben und nach München geschickt worden. Dr. Arnold hatte es in seine Kopieranstalt «Arri» bringen lassen, wo es in zwei Schneideräumen untergebracht wurde, die er für mich hatte einrichten lassen. Als ich aus Afrika zurückkam und mir das Material anschauen wollte, mußte ich jedoch erschrocken feststellen, daß es sich nicht mehr in den Schneideräumen befand. Sie waren in der Zwischenzeit abgerissen und in ein Farbkopierwerk umgebaut worden. Meine Filmschachteln und Büchsen hatte man in heillosem Durcheinander in Filmkörbe und Kisten geworfen und meine Tontische sowie Kisten mit Filmmaterial unter freiem Himmel im Hof der Kopieranstalt untergestellt. Dort waren sie in Wind und Regen inzwischen verrottet.
      Ein Jahrzehnt hatte ich vergeblich gekämpft, um meine Filme und Schneidetische zu retten. Es waren die einzigen Werte, die ich noch besaß. Für die unbrauchbar gewordenen drei Tontische und weiteren Schneideraumgeräte konnte ich die Firma «Arri» nicht schadensersatzpflichtig machen. Dr. Arnold, einer der Hauptinhaber dieser Firma, hatte mich immer unterstützt, und ich schuldete ihm Dank. Er selber war empört, als er von dieser grob fahrlässigen

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