Memoiren 1945 - 1987
er
Seite 1 und 2 des Prospekts für die Wiederaufführung
aller von Leni Riefenstahl gestalteten Filme in Venedig, 1959
warteten mich. Es ging um meine Filmkopien, die unbegreiflicherweise noch nicht eingetroffen waren, ebensowenig meine Koffer. Man hatte angenommen, ich hätte die Kopien dabei. Auch das Paket mit den Fotos und dem Werbematerial, das ich für die Biennale anfertigen ließ, hatte niemand erhalten. Wir waren ratlos. Es begann eine hektische Sucherei beim Zoll am Brenner. Meine Mutter versicherte, mein früherer Mitarbeiter habe schon einen Tag nach meiner Abreise alle Gepäckstücke abgeholt und sie der Spedition Kroll in München übergeben. Die Spedition erklärte, sie hätte dieses Gepäck nie erhalten.
Plötzlich gab es eine böse Aufklärung. Meine Mutter sagte am Telefon unter Tränen, sie hätte bei der Suche nach meinem Mitarbeiter feststellen müssen, daß dieser, statt Kopien und Koffer aufzugeben, mit meinem Auto, ohne Hinterlassung einer Nachricht, spurlos verschwunden war, wobei er noch ihr Postsparbuch, ihr Bargeld und meine Fotokamera mitgenommen hatte. «Ich habe ihm vertraut» schluchzte sie, «da er immer so zuverlässig und hilfsbereit war.»
Ich wollte sofort abreisen, aber die Italiener ließen es nicht zu. Ein hektischer Suchdienst wurde eingerichtet. Die Angst um meine Kopien — die einzigen, die ich damals besaß —, die Trauer, daß die Filme nun auf der «Biennale» nicht gezeigt werden konnten, und der Verlust meiner Garderobe machten mich völlig fertig — ich war nur noch ein Nervenbündel. Außer meinem Reisekostüm hatte ich nichts zum Anziehen, die Koffer mit den Abendkleidern hatte ich nicht nach Elba mitnehmen wollen — dort brauchte ich außer Badeanzügen nur Pullis und Hosen. Da erhielt ich einen überraschenden Anruf. Der Polizei in München war es gelungen, alle Gepäckstücke zu finden — in der Wohnung meines geflüchteten Mitarbeiters. Nach ihm wurde noch gefahndet. Koffer und Filmkopien waren nach Venedig unterwegs, und die Vorstellungen mußten nicht abgesagt werden.
Während eines Fernsehinterviews bemerkte ich, wie mich ein älterer Herr intensiv beobachtete. Das Gesicht kam mir bekannt vor, aber ich wußte nicht, wo ich es unterbringen sollte. Nach Beendigung der Aufnahmen kam der Fremde zögernd auf mich zu, sah mich lächelnd an, hob seine Arme und — zog mich an sich, wobei er flüsterte: «Du — du». Jetzt wußte ich, wer es war: Josef von Sternberg. Er hatte sich so verändert, daß ich ihn nicht erkannt hatte. Er war ein reifer, älterer Herr geworden mit silbergrauem Haar. Zwanzig Jahre waren vergangen, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte — im «Palace Hotel» in St. Moritz, zu Silvester 1938.
Für mich war das mehr als ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Wie oft nach dem Krieg hatte ich an ihn gedacht, aber nie gewagt, ihm zu schreiben. Nun hatte ich während der «Biennale» einen ständigen Begleiter. Gemeinsam sahen wir uns Filme an. Auch von Sternbergs Filmen gab es eine Retrospektive, aber er wollte nicht, daß ich sie mir anschaue. «Die taugen nichts», sagte er mit leichter Resignation, «laß uns lieber nach Venedig fahren.»
Dort besuchten wir Galerien und Geschäfte, auch den bunten Markt dieser faszinierenden Stadt. Er machte verschiedene Einkäufe und erstand für mich einen herrlichen violetten Wollschal. Mit keinem Wort erwähnte er die Vergangenheit, er sprach nur von der Gegenwart. Auch von seinem Leben nach unserer Trennung sagte er kaum etwas. Nach einer langen, schweren Krise, in der er todkrank war, schien er ein glücklicher Mensch geworden zu sein. Er hatte wieder geheiratet und zeigte mir Fotos von seiner Familie — eine junge hübsche Frau und, soweit es mir noch in Erinnerung ist, zwei Kinder. Ich hatte den Eindruck, daß dies nun seine Welt war. Er sprach fast nur von seiner Familie. Trotzdem wollte ich etwas über seine Arbeit mit Marlene erfahren. Er sagte, daß es angenehm gewesen sei, mit ihr zu arbeiten, er lobte ihre Disziplin und sprach mit Bewunderung über ihr technisches Wissen, besonders was Beleuchtung und Schminkkunst betraf.
«Sie weiß genau», sagte Sternberg, «wo die Scheinwerfer stehen müssen und wie man sie am vorteilhaftesten beleuchtet.»
Dann zeigte er mir ein goldenes Zigarettenetui, auf dem eingraviert war: «In Dankbarkeit — Marlene». Mehr wollte er über sie nicht sagen.
Diese Begegnung mit Sternberg ließ alles andere auf der
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