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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Poupette wird sich ein Mann finden lassen», äußerten meine Eltern vertrauensvoll. Ich war noch gern mit ihr zusammen, aber auf alle Fälle war sie eben doch nur ein Kind: Ich sprach über nichts mit ihr.
    Jemand hätte mir helfen können: Jacques. Ich verleugnete die Tränen, die ich eines Nachts allzu eilig vergossen hatte; nein, ich liebte ihn nicht. Wenn ich liebte, so doch nicht ihn. Aber mir hätte sehr viel an seiner Freundschaft gelegen. Eines Abends, als ich bei seinen Eltern zum Essen eingeladen war, verweilten wir uns, als schon zu Tisch gegangen wurde, einen Augenblick im Salon bei einem Gespräch über nichtige Dinge. Meine Mutter rief mich mit strenger Stimme zur Ordnung. «Entschuldige», sagte Jacques mit einem unmerklichen Lächeln, «wir sprachen gerade über
La Musique intérieure
von Charles Maurras …» Ich löffelte traurig meine Suppe. Wie sollte ich ihm begreiflich machen, dass ich längst nicht mehr die Dinge ins Lächerliche zog, die ich nicht verstand? Hätte er mir die Gedichte, die Bücher, die er liebte, erklärt, hätte ich ihm gelauscht. ‹Wir sprachen von
La Musique intérieure …
› Oft wiederholte ich mir diesen Satz und genoss seine Bitterkeit, in der mir doch etwas wie Hoffnung mitzuschwingen schien.
    Im Herbst bestand ich glänzend meine Literaturprüfung. Garric beglückwünschte mich. Mademoiselle Lambert ließ mich in ihr Büro kommen, nahm mich abwägend unter die Lupe und stellte mir eine glänzende Zukunft in Aussicht. Einige Tage darauf aß Jacques bei uns zu Abend: Vor seinem Aufbruch nahm er mich auf die Seite: «Ich habe vorgestern Garric gesehen, wir sprachen viel von dir.» In lebhaft interessiertem Ton fragte er mich nach meinen Studien und nach meinen Plänen. «Morgen machen wir eine Autofahrt durch den Bois», schloss er unerwartet. Welch ein Aufruhr in meinem Herzen! Ich hatte es erreicht, Jacques interessierte sich für mich! Es war ein schöner Frühlingsmorgen, und ich fuhr allein mit Jacques um die Seen herum. Er sah mir lachend ins Gesicht: «Hast du gern, wenn man plötzlich bremst?», und schon stieß ich fast mit der Nase an die Windschutzscheibe. Man konnte also in unserem Alter noch ausgelassen wie die Kinder sein! Wir riefen uns unsere erste Jugend in die Erinnerung zurück: Châteauvillain, die
Astronomie für alle
, den
Vieux Charles
und die Blechbüchsen, die ich für ihn aufsammelte: «Wie ich dich angeführt habe, meine arme Sim!», stellte er erheitert fest. Ich versuchte auch, in stockenden Worten von meinen Schwierigkeiten, meinen Problemen zu sprechen: Er schüttelte ernst den Kopf. Gegen elf Uhr setzte er mich am Tennisplatz in der Rue Boulard ab und zwinkerte mir neckend zu: «Du weißt», sagte er, «man kann durchaus in Ordnung sein, wenn man sein Examen in Literatur abgelegt hat.» ‹In Ordnung›: Wenn man für ihn zu diesen Erwählten gehörte, so war das die schönste Promotion; etwas war geschehen, etwas hatte begonnen. «Ich komme eben aus dem Bois de Boulogne», kündigte ich stolz meinen Kameradinnen an. Ich erzählte so heiter und so verworren von unserer Autofahrt, dass Zaza mich argwöhnisch prüfend ansah: «Was ist denn heute früh mit Ihnen los?» Ich war glücklich.
    Als Jacques in der folgenden Woche an unserer Wohnungstür schellte, waren meine Eltern nicht da; in solchen Fällen pflegte er sonst ein paar Minuten lang mit meiner Schwester und mir zu scherzen und dann wieder fortzugehen: Diesmal blieb er da. Er sagte uns ein Gedicht von Cocteau auf und gab mir Ratschläge für meine Lektüre; er zählte eine Reihe von Namen auf, die ich noch nie gehört hatte, und empfahl mir im Besonderen einen Roman, der – wie ich zu verstehen glaubte –
Le Grand Môle
betitelt war. «Komm doch morgen Nachmittag bei mir vorbei, ich werde dir Bücher borgen», sagte er, als er mich verließ.
    Elise, das alte Hausfaktotum, nahm mich in Empfang: «Monsieur Jacques ist nicht da, aber er hat in seinem Zimmer Sachen für Sie bereitgelegt.» Er hatte ein paar Worte auf einen Zettel gekritzelt: ‹Verzeih, meine gute Sim, und nimm deine Bücher mit.› Ich fand auf einem Tisch etwa zehn Bände in frischen Fruchtbonbonfarben: pistaziengrüne Montherlants, einen himbeerroten Cocteau, einen zitronengelben Barrès, verschiedene Claudels und Paul Valérys in scharlachverbrämtem schneeigem Weiß. Durch die durchsichtigen Umschläge hindurch las ich immer wieder die Titel:
Le Potomak
,
Le Nourritures terrestres
,
L’Annonce faite à

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