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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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mag.»
    Villaverde trank einen Schluck von seinem Kaffee und schüttelte wieder nur den Kopf, aber diesmal offensichtlich aus Resignation.
    Uns allen waren die Alternativen ausgegangen. Wenn wir diesen kranken Dreckskerl nur zur Strecke bringen konnten, indem ich mich unmittelbar der Gefahr stellte – wozu auch Urwaldgifte und Verstümmelung zählten –, dann sollte es so sein. Im Grunde genommen war ich keiner größeren Gefahr ausgesetzt, als Michelle, Tess, Alex und zahllose andere seit Beginn dieses ganzen verdammten Dramas es bereits gewesen waren.
    Ich war bereit dazu.
    Schließlich stirbt man nur einmal.

Kapitel 56
    Tess wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Sinne waren aufs äußerste geschärft, und ihr Puls raste. Es war wie ein Erwachen, als sei ihr Geist plötzlich entfesselt und frei, durch unerforschtes Gebiet zu schweifen. Sie hatte stundenlang auf Stephensons Website gestöbert, und am Ende stürmten von allen Seiten Fragen auf sie ein, während Einsichten in ihr darum wetteiferten, dass sie die richtigen Schlüsse zog.
    Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Die eine Frage, die ihr am meisten auf den Nägeln brannte, war zugleich diejenige, die sie nicht zu stellen wagte – und doch wusste sie, dass sie es tun musste. Sie war nur nicht sicher, ob sie es konnte. Es war nicht fair. Es war einfach nicht richtig.
    Er war erst vier Jahre alt.
    Wie um sie aus ihren quälenden Grübeleien zu erlösen, klingelte ihr Handy. Sie starrte geistesabwesend auf das Display, dann erkannte sie die Vorwahl.
    510 .
    Berkeley.
    Hastig nahm sie den Anruf an.
    Es war Dean Stephensons Assistentin Marya.
    «Ich habe Ihre Nachricht eben bekommen», sagte sie. «Das mit Miss Martinez tut mir wirklich leid zu hören. Es ist furchtbar. Was ist passiert?»
    Tess erwiderte knapp, Michelle sei in ihrem Haus von einem bewaffneten Eindringling erschossen worden und Alex befinde sich jetzt in der Obhut seines leiblichen Vaters. Dann erklärte sie, wer sie selbst war.
    «Ich habe mit Alex’ Lehrern gesprochen», fügte sie hinzu, «und sie sagten, dass er eine schwere Zeit hatte. Ich hatte gehofft, ich könnte mit Professor Stephenson darüber sprechen.»
    «Nach dem, was geschehen ist, würde Dean Ihnen ganz bestimmt mit Alex helfen wollen», erwiderte Marya. «Nur leider ist er verreist.»
    «Ach?»
    «Ja, es tut mir leid.» Die Frau klang unsicher.
    Tess schwieg einen Moment lang. Ihr war selbst nicht recht klar, was am Ton der Frau sie irritierte. «Wissen Sie denn, wann er zurückkommt?»
    Noch immer zögend, antwortete Marya: «Nicht so genau.»
    Tess horchte auf. «Nun … kann ich ihn vielleicht anrufen? Wissen Sie, wo er zu erreichen ist?»
    «Nein, tut mir leid. Er … er hat mir nicht gesagt, wohin er geht, und am Handy springt nur die Voicemail an.»
    Bei Tess begannen die Alarmglocken zu klingeln. «Seit wann ist er verreist?»
    «Ich glaube, seit ungefähr zehn Tagen. Seit Anfang letzter Woche.»
    «Und er hat Ihnen nicht gesagt, wohin?»
    «Nein. Er hat mir nur eine Nachricht hinterlassen, er sei wegen eines neuen Falles unterwegs und werde eine Weile fortbleiben.»
    Das klang seltsam. «Kommt so etwas häufiger vor?»
    «Nein, eigentlich nicht. Normalerweise schickt er erst einen seiner Forschungsassistenten hin. Und es sieht ihm auch nicht ähnlich, so überstürzt zu verreisen. Er hat einen vollen Terminkalender, ich hatte alle Hände voll zu tun, die Leute zu vertrösten und Termine zu verlegen.»
    «Gibt es vielleicht jemanden, den Sie nach ihm fragen könnten? Hat er eine Frau oder eine Freundin?»
    «Er ist geschieden», antwortete die Assistentin. «Und er lebt allein.»
    Tess’ Verstand arbeitete fieberhaft. Sie erkannte neue Zusammenhänge, sah auf einmal Verbindungen.
    Sie schluckte und fragte Marya: «Sagen Sie, trägt Professor Stephenson Kontaktlinsen?»
    «Ja, schon.» Marya klang verwirrt. «Warum fragen Sie?»
    Tess spürte, wie der Druck in ihren Schläfen anstieg. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie musste das Gespräch beenden. «Kann ich Sie zurückrufen? Ich muss ein paar Dinge überprüfen. Vielen Dank, Sie waren mir eine große Hilfe. Und falls Sie inzwischen irgendetwas von ihm hören, lassen Sie es mich bitte wissen.»
    Sie beendete das Gespräch und atmete tief durch.
    Sie konnte es nicht länger aufschieben. Es schrie ihr förmlich entgegen.
    Sie wappnete sich und ging ins Haus.
    Nachdem sie die Zeichnung aus ihrem Schlafzimmer geholt hatte, ging sie in die Küche, wo

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