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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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mit?»
    Tess warf einen Blick zu mir, dann wandte sie sich wieder Alex zu, fasste seine Hand und erwiderte: «Nein, Schatz, ich fürchte, deine Mommy kommt nicht mit.»
    «Warum nicht?», wollte Alex wissen. «Wo ist sie?»
    Tess zögerte, dann atmete sie tief durch und sprach es aus. «Sie ist im Himmel, Liebes.»
    Ich hatte das Gefühl, als ob mein Brustkorb implodierte.
     
    Eine Weile nach diesem herzzerreißenden Gespräch gingen wir drei schließlich mit Alex ins SeaWorld. Tess war die ganze Zeit einfach unglaublich. Sie brachte den Jungen sogar dazu, etwas zu essen, was Jules und mir bislang nicht gelungen war. Alex war noch immer sichtlich auf der Hut vor mir, mied den Blickkontakt und benutzte Tess als Puffer zwischen sich und mir. Ich beschloss, es sei das Beste, ihm seinen Raum zu lassen, während Tess weiter ihren Zauber wirken ließ. Wir hatten noch ein ganzes Leben vor uns, um miteinander ins Reine zu kommen.
    Als wir gegen sechs ins Hotel zurückkehrten, machte sich Tess daran, Alex ins Bett zu bringen. Unsere Suite bestand aus einem Schlaf- und einem Wohnzimmer mit Verbindungstür zu einem angrenzenden Schlafzimmer. Ich ging in die Hotelbar hinunter und bestellte ein Bier. Ich war furchtbar kribbelig. Ein ganzer Tag war vergangen, in dem ich nichts unternommen hatte, um den Anschlägen auf Michelle auf den Grund zu gehen, außer dass ich mich durch ein paar hundert kalt, verstört oder einfach ausdruckslos starrende Gesichter geklickt hatte. Ich war es nicht gewohnt, so untätig zu sein, und es fraß mich schlichtweg auf. Das Problem war, dass jetzt Sonntagabend war und ich ziemlich hilflos. Ich konnte nur abwarten, bis Villaverde sich meldete, weil es Neuigkeiten von den Jungs von der Technik gab oder von den Mordermittlern, die sich mit den Schießereien beschäftigten. Gleichzeitig war mir bewusst, wie dringend ich mich um Alex’ Wohlergehen kümmern musste. Ihm tat es offensichtlich gut, dass Tess gekommen war.
    Trotzdem, ich musste irgendetwas tun. Mir fiel allerdings nichts ein, das ich tatsächlich hätte tun können.
    Ich überlegte gerade, ob ich noch ein Bier bestellen sollte, als Tess erschien und sich auf den Hocker neben mir setzte.
    «Kommst du öfter hierher?», fragte sie und rang sich ein erschöpftes Lächeln ab.
    Ich brachte ebenfalls ein kurzes Lächeln zustande. «In meinem Zimmer ist meine Freundin. Wir müssen zu dir gehen.»
    Sie zog eine Augenbraue hoch. «Soll ich dir mal was sagen? Der Satz ist dir entschieden zu leicht über die Lippen gekommen.» Sie sah mich ein paar Sekunden lang scherzhaft-forschend an, dann wandte sie sich dem Barkeeper zu und gab ihm ein Zeichen, noch zwei Flaschen zu bringen.
    «Schläft er?»
    Tess nickte. «Jules ist bei ihm. Übrigens, sie ist klasse. Eine echte Entdeckung. Du kannst dich glücklich schätzen, sie hier zu haben.»
    Ich zuckte die Schultern und starrte ins Leere. «Ja, es war überhaupt eine glückliche Woche.»
    Tess rückte näher an mich heran und fuhr mit den Fingern durch die Haare an meinem Hinterkopf. «Alles okay mit dir, Baby?»
    Ich wusste selbst nicht recht, was ich empfand. Einen Moment lang schwieg ich und starrte auf die riesige Flaschensammlung hinter der Bar. «Es ist einfach schräg», sagte ich schließlich. «Ich hatte seit Jahren nicht mehr an sie gedacht. Ich meine das ganz wörtlich. Und dann ruft sie auf einmal an und …» Ich wandte mich Tess zu. «Sie ist tot, und ich habe einen Sohn. Einfach so.»
    «Ich weiß», sagte Tess nur, und der Druck ihrer Finger verstärkte sich ein wenig. «Es ist entsetzlich, was ihr zugestoßen ist. Mehr als entsetzlich. Und trotzdem … Du hast einen wunderbaren kleinen Jungen, Sean.»
    Ich bemerkte, dass ihre Stimme ein wenig brüchig wurde, und sah den Glanz in ihren Augen. Als sie blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten, konnte ich nicht anders, als sie auf der Stelle an mich zu ziehen und zu küssen. So verharrten wir einen langen Moment, dann hielt ich sie einfach in den Armen, fühlte ihren Atem an meinem Ohr und ihre Wimpern an der Wange.
    «Kommst du damit klar?», murmelte ich.
    «Mehr als klar, Baby», erwiderte sie flüsternd. «Mehr als klar.»
    Minutenlang saßen wir so, jeder den Geruch des anderen atmend, und versuchten, unsere Orientierung wiederzufinden, dann küsste ich Tess noch einmal und löste mich von ihr. Ich hob meine Flasche und prostete ihr wortlos zu. Tess begegnete meinem Blick und stieß ihre Flasche sacht gegen meine. Wir tranken beide

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