Memoria
könnten das auch telefonisch machen oder sogar per E-Mail.»
Die Frau schwieg einen Moment lang, dann erwiderte sie: «Die Sache ist die, ich weiß wirklich nicht, ob sie im Augenblick die Zeit erübrigen kann. Sie ist – sie ist durch eine Familienangelegenheit stark beansprucht.» Bei der Erwähnung einer begeisterten Rezension war ihr Ton milder geworden. Anscheinend wirkte ein Appell an die Eitelkeit auch indirekt fast so gut wie direktes Lob.
«Das tut mir wirklich leid. Wir hier sind alle große Fans ihrer Bücher. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes.»
Perrini wartete auf eine Erwiderung, aber Hazel biss nicht an.
«Nein», sagte sie, «keine große Sache, danke der Nachfrage. Wenn Sie mir Ihre Nummer geben, werde ich Ihre Nachricht ausrichten.»
Er nannte ihr die Nummer seines neuen Wegwerfhandys und dazu eine E-Mail-Adresse, die er gerade eingerichtet hatte, während er im Auto saß und seinen Burger mit Zwiebelringen verdaute. Dann bedankte er sich höflich und beendete das Gespräch.
Miss Chaykin war wirklich nicht leicht aufzuspüren. Und auch wenn Perrini Spaß daran hatte, sechzigjährige Frauen um den kleinen Finger zu wickeln – eine Kunst, die an seiner eigenen Mutter allerdings versagte, denn sie schien immer genau zu wissen, was er dachte –, war es jetzt doch an der Zeit, die Sache direkter anzupacken.
Er dachte über das nach, was die Frau gesagt hatte. Tess Chaykin war «durch eine Familienangelegenheit stark beansprucht». Ihre Tante werde «seine Nachricht ausrichten». Das klang, als sei Chaykin nicht dort. Perrini dachte an Guerras Anfrage, er wusste, Chaykins Freund war drüben in San Diego. Ob das die Familienangelegenheit war, die sie so in Anspruch nahm?
Das Problem war, dass Guerra keine Erklärungen wollte, wie es wahrscheinlich war. Er forderte Fakten. Und damit blieb Perrini kaum eine andere Wahl, als wiederum eine dritte Partei einzuschalten – etwas, das er möglichst vermied, nicht nur weil er so einen Teil seines Honorars einbüßte, sondern auch im Hinblick auf das Risiko. Er verließ sich nicht gern auf Leute, die er nicht wirklich kannte, und es behagte ihm erst recht nicht, wenn es sich bei den Dingen, die sie für ihn taten, um Straftaten auf Bundesebene handelte.
Er zückte sein Handy und rief Lina an. Sie meldete sich sofort.
«Ich brauche Infos über ein Handy. Das volle Programm.»
«Autsch.»
Auch Lina war die Tragweite klar.
«Ich brauche sie. Ich schicke dir die Nummer per SMS .»
«Okay», gab sie nach. «Schicken Sie sie rüber.»
Perrini kannte den Ablauf. Es würde irgendetwas zwischen dreißig Minuten und fünf Stunden dauern, bis Lina das Handy geortet hätte. Da spielten mehrere Variablen mit hinein: Modell und Bauart von Chaykins Gerät, bei welchem Netzbetreiber sie war, wie gut das Netz an ihrem derzeitigen Standort ausgebaut war, wie viele Sendemasten es gab und ob ihr Handy mit GPS ausgestattet war oder nicht. Allerdings verfügte Lina über einige besondere Tricks. Sie war ein echter Geek im Umgang mit den verfügbaren Daten und hatte Kontaktpersonen bei drei großen Mobilfunk-Anbietern. Bisher hatte sie seine Anfragen nach dem Standort eines Handys noch immer bedienen können.
Perrini beschloss, ein kurzes Nickerchen zu halten, ehe er aufs Revier zurückkehrte. Bis zum Abend würde er sehr wahrscheinlich genau wissen, wo Tess Chaykin sich aufhielt, und diese Information an Guerra weitergegeben haben.
Was der Mexikaner dann damit anfing, war nicht seine Sache. Allerdings wusste Perrini, für welche Art von Kundschaft Guerra gewöhnlich arbeitete, und so konnte er sich denken, dass Chaykin ihre besten Tage hinter sich hatte.
Kapitel 36
Wir fuhren in Munros Yukon von der Polizeiwache in La Mesa über die Spring Street auf den South Bay Freeway Richtung Süden.
Villaverde hatte sich entschieden, an den Aero Drive zurückzukehren und sein Team über unsere bisherigen Erkenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen. Er sagte, er wolle auch Jules per Telefonkonferenz zuschalten. Einer seiner Männer hatte sich bereit erklärt, meinen LaCrosse zurück zum Hauptquartier zu fahren, damit ich ihn später am Tag wieder zur Verfügung hatte – etwas, das in der New Yorker Dienststelle wohl kaum jemand angeboten hätte.
Die Fahrt hinunter nach Chula Vista verlief reibungslos. Die frühabendliche Rushhour würde erst in einigen Stunden einsetzen, und Munro, der es offenbar ebenso eilig hatte wie ich, gab kräftig Gas. Die Polizei von La Mesa
Weitere Kostenlose Bücher