Memoria
schwieg erneut. «Dean.»
«Genau.»
«Okay», gab er nach, auch wenn er nicht überzeugt klang. «Ich muss jetzt Schluss machen.»
«Ich liebe dich, mein Großer.»
«Ich melde mich wieder.»
Tess steckte ihr Handy ein, starrte durch das Seitenfenster, stieß tief die Luft aus und versuchte, den Stachel der Ungeduld zu ignorieren.
Kapitel 35
Perrini saß in der einzelnen Nische im hinteren Bereich des Black Iron Burger Shop an der East Fifth Street, wischte sich die letzten Reste des Burgers mit Zwiebelringen vom Mund und rekelte sich. Dieser Job war ausnahmsweise einmal so leicht, dass es schon fast peinlich war, erst recht im Vergleich zu einem Auftrag, den er im vergangenen Jahr von Guerra bekommen hatte. Dabei schien es anfangs um reine Informationsbeschaffung zu gehen, letztendlich hatte er jedoch den hiesigen Operationen eines besonders aggressiven mexikanischen Kartells ein Ende gemacht, das versuchte, in der Stadt Fuß zu fassen.
Anfangs hatte Perrini sich dagegen gesträubt, da er von den Mexikanern regelmäßig Geldumschläge bekam, aber das rivalisierende Kartell, von dem Guerra den Auftrag hatte, war so zufrieden mit seiner Leistung gewesen, dass Perrini einen beträchtlichen Bonus bekam. Zwar hatte Guerra davon satte zwanzig Prozent Kommission einbehalten, aber das Geld würde dennoch ausreichen, um Perrinis ältestem Sohn Nate eine gute College-Ausbildung zu finanzieren.
In der Folge war Perrini kein Risiko eingegangen. Kaum eine Woche nachdem die gesamte Führungsriege des neu eingewanderten Kartells in New York City auf der Gefängnisinsel Rikers inhaftiert worden war, wurde sein ehemaliger Kontaktmann von einem aufstrebenden Mitglied der derzeit führenden afroamerikanischen Gang in der South Bronx mit einer improvisierten Waffe erstochen; eine Gefälligkeit, die ein alter Freund vom vierundvierzigsten Revier für Perrini arrangiert hatte. Der Vorfall wurde auf rassistische Auseinandersetzungen zurückgeführt und nicht mit einem Revierkampf zwischen rivalisierenden mexikanischen Gangs in Verbindung gebracht.
Für Perrini war die Angelegenheit ein Gewinn auf ganzer Linie, denn das Kartell, das sich mit seiner Hilfe gegen die Konkurrenz behauptet hatte, war von nun an mehr als großzügig sowohl mit Geld als auch mit Stoff. Gerade jetzt steckte in der linken Hosentasche des Polizisten ein Zwanzig-Gramm-Beutel bestes unverschnittenes Kokain.
Er winkte gerade die Kellnerin herbei, um noch einen Vanille-Milchshake zu bestellen, als er Lina Dawetta eintreten sah. Sie schaute sich nervös um, offenbar um sich zu vergewissern, dass niemand hier war, der sie kannte. Dann kam sie zu Perrinis Nische und setzte sich dem Detective gegenüber auf einen der freien Hocker.
Da das Lokal nur ein paar Straßenblocks von der Polizeiwache entfernt lag, war es gewissermaßen Berufsrisiko, dass sie hier auf Bekannte trafen. Bisher war das allerdings erst einmal vorgekommen, und Perrini hatte bei dieser Gelegenheit dem Mordermittler, den er nur flüchtig kannte, verschwörerisch zugegrinst. Sollten sie doch denken, dass er eine kleine Sekretärin bumste. Der Stoff hinterließ zwar allmählich seine Spuren an Lina, aber sie war noch immer auffallend attraktiv mit ihrem olivfarbenen Teint, den sie ihrer sizilianischen Abstammung verdankte, und dem rötlichen Haar. Perrini konnte sicher sein, dass dank einem ungeschriebenen Gesetz zwischen männlichen Cops seine Frau nie von dem Treffen erfahren würde.
«Möchtest du was essen?», fragte er und lächelte die junge Frau an, als sei sie seine Lieblingsnichte oder seine geliebte Schwester und nicht bloß irgendeine kleine Verwaltungsangestellte, die ein Drittel seines Grundgehalts als Detective verdiente.
«Nein. Nur eine Sprite light.»
Sie stellte ihre geöffnete Handtasche auf den freien Hocker neben sich.
Perrini gab die Bestellung an die Kellnerin weiter, dann zog er lässig den Beutel mit Kokain aus der Tasche, ohne den Blick von Lina zu wenden, streckte, noch immer lächelnd, unter dem Tisch die Hand aus und ließ den Beutel in Linas Handtasche fallen.
Er hatte es sich zum Prinzip gemacht, bei einem Tauschhandel immer als Erster zu liefern. Das förderte das Vertrauen und verringerte zugleich das Risiko für ihn, falls das Treffen auffliegen sollte. Er hatte nie verstanden, warum so viele Leute auf lächerlichen Sicherheitsvorkehrungen bestanden, wie man sie aus Filmen kannte. Er verließ sich gern darauf, dass die andere Partei ihren Teil des Deals
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