Menetekel
etwas hatte Jabba noch nie erlebt, und es verriet ihm eine Menge über die Ressourcen und die Entschlossenheit der Leute, die dahintersteckten – womit die Aussicht, gegen sie anzutreten, noch weniger verlockend schien. Falls das überhaupt möglich war.
Er hatte jedoch auch einen richtigen Goldklumpen ausgegraben, den er sich für den Schluss aufbewahrt hatte.
«Ich habe die Witwe von Dominic Reece ausfindig gemacht.» Sein müdes Gesicht strahlte nicht wenig Zufriedenheit aus. «Vielleicht hat sie ja eine Ahnung, was ihr Mann und Danny dort draußen in Namibia gemacht haben.»
«Wo wohnt sie?»
«In Nahant, nur ein Stück die Küste rauf.» Jabba reichte ihm einen Zettel mit einer Telefonnummer. «Wir können in einer halben Stunde dort sein.»
Matt dachte kurz nach, dann nickte er. «Klingt gut. Aber zuerst wollen wir mal sehen, was der Peilsender in Seaport für uns hat.»
KAPITEL 44
KLOSTER DER SYRER, WADI AN-NATRUN, ÄGYPTEN
Gracie war seit dem verrückten Moment auf dem Dach der Festung fast durchgehend live auf Sendung gewesen. Ungefähr alle halbe Stunde hatte sie sich vor Daltons Linse gestellt und den unersättlichen Hunger der zugeschalteten Welt nach Informationen zu stillen versucht, ganz egal, wie viel – oder wie wenig – Neues sie zu bieten hatte. Ihre Kehle war taub, ihre Nerven waren überreizt, ihre Beine wie aus Gummi, aber sie wollte es nicht anders haben. Die ganze Welt saß da und lauschte, gierte nach jedem Fitzelchen Information, das Gracie finden konnte. Jeder Nachrichtensender brachte die Story. Und Gracie war mittendrin, erlebte alles hautnah mit; an ihren Lippen hing die Welt.
Und doch konnte sie es kaum fassen, dass tatsächlich sie es war, die diese epochemachenden Ereignisse an der Seite des Mannes miterlebte, der offenbar ein Gesandter Gottes war.
Sie hatten Pater Hieronymus aus Sicherheitsgründen vom Dach hinuntergebracht. Seitdem das Zeichen am Morgen erschienen war, hatte sich die Menge vor den Toren desKlosters verzehnfacht, und noch immer strömten von allen Seiten Menschen herbei. Der Abt und Bruder Amin hatten sich mit Pater Hieronymus ins Innere des Klosters zurückgezogen. Das Ganze überstieg sein Verständnis, und er war sichtlich mit den Nerven am Ende. Er brauchte Zeit, um sich zu erholen und das Erlebnis einzuordnen. Dalton, Finch und Gracie waren noch ein paarmal auf das Dach gestiegen, Dalton war bis an die Dachkante gekrochen und hatte die Szenerie vor den Klostermauern gefilmt. Er brannte darauf, die fliegende Skycam einzusetzen, hatte aber widerstrebend eingesehen, dass das in Anbetracht der aufgeputschten Menge unklug gewesen wäre.
Seit das Zeichen etwa eine Viertelstunde nach seinem Erscheinen über Pater Hieronymus wieder verschwunden war, hatte die Lage sich beruhigt, blieb aber angespannt. Zu Ausbrüchen von Gewalt war es nicht wieder gekommen, aber es hatten sich verschiedene Lager gebildet, die einander nervös im Auge behielten: Christen, die sich zum Gebet versammelten, Muslime, die sich ihnen ergriffen anschlossen, auch wenn sie nicht recht wussten, wie sie das Wunder deuten sollten, sowie aufgeheizte Gruppen eher fundamentalistisch orientierter Muslime, die die Vorstellung eines neuen Propheten rundweg ablehnten und deren bloße Gegenwart die offeneren, moderaten Kräfte an den Rand drängte.
Zwischen den Liveschaltungen verschafften sich Gracie, Finch und Dalton einen Überblick über die aus aller Welt hereinströmenden Berichte und ließen sich von den Auslandskorrespondenten des Senders in Kairo auf dem Laufendenhalten. Der erste wichtige Religionsführer, der eine offizielle Erklärung abgab, war der Patriarch von Konstantinopel. Im Gegensatz zum Papst, dessen Wort in der römischkatholischen Kirche Gesetz war, besaß der Patriarch in der zersplitterten Welt der orthodoxen Kirchen kaum Weisungsbefugnisse. Das hielt ihn nicht davon ab, seiner Sorge um die Umwelt mit seinem wohlklingenden historischen Titel Ausdruck zu verleihen und sie als eine spirituelle Verantwortung darzustellen. In diesem Zusammenhang rief er die Bürger der Welt auf, den aktuellen Vorgängen Beachtung zu schenken, und bekundete sein Interesse an einem Treffen mit Pater Hieronymus, um zu einem besseren Verständnis der Geschehnisse zu gelangen.
Während Gracie über die von Menschen wimmelnde Ebene hinausschaute, bekam sie ein zunehmend schlechteres Gefühl. Unten schien alles ruhig, aber die Anspannung war deutlich zu spüren. Die Drohung eines massiveren
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