Menetekel
Herrn,
dachte Fox Two.
Die Suggestivkraft war besonders stark, wenn die Zielpersonen ohnehin leidenschaftlich darauf brannten zu tun, was ihnen gesagt wurde, wie es bei den Leuten draußen vor dem Kloster der Fall war, oder wenn sie, wie im Falle von Pater Hieronymus, vorher wochenlang zwangsindoktriniert worden waren. Elektroschocks und Schlafentzug, gefolgt von Methohexital-Cocktails zur Beruhigung. Transkranielle Magnetstimulation. Ein vollständiger, psychologisch und chemisch induzierter Zusammenbruch. Sämtliche Schaltkreise des Gehirns lahmgelegt, sodass es vollständig entwaffnet ist, bevor man es einem psychologischen Bombardement aussetzt. Visionen, Gedanken, Gefühle implantiert. Das Gehirn so konditioniert, dass es eine alternative Realität akzeptiert, also etwa die Stimme Gottes zu hören oder, bei aller Bescheidenheit, der Auserwählte zu sein glaubt.
Er schwenkte das Fernglas nach Westen, Richtung Wüste. Obwohl er wusste, was er suchte, brauchte er mehr als eine halbe Minute, um Fox One und seine Einheit zu lokalisieren. Die vier Männer und ihre Ausrüstung waren ebenfalls nahezu unsichtbar. Sie kauerten einige hundert Meter entfernt zwischen den Sanddünen unter Tarnnetzen. Sie hatten saubere Arbeit geleistet, wie erwartet. Die Wirkung war atemberaubend gewesen. Er kannte den Anblick bereits von der Videoaufzeichnung eines Testlaufs in der Wüste. Aber das hier war live gewesen. Vor einem verblüfften Publikum.
Es hatte ihm buchstäblich den Atem verschlagen. Selbst für einen kampferprobten Zyniker wie ihn war es ein packenderMoment gewesen. Ein Hammerschlag, der um den ganzen Erdball widerhallen würde.
Fox Two wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Horden vor den Toren des Klosters zu. Bald würde er diese Drecksgegend für immer verlassen können. Der Job hier war höllisch gewesen. Sich versteckt halten, jeden Sonnenaufgang und -untergang in Bereitschaft, mit der ganzen Ausrüstung den Berg rauf und runter, rauf und runter, Tag um Tag um Tag. Er war schon zu lange hier draußen in der Wüste. Er sehnte sich nach den Zärtlichkeiten einer Frau und nach anständigem Fleisch auf dem Grill. Vor allem aber sehnte er sich nach dem Leben in der zivilisierten Welt.
Bald
, dachte er.
Vorher musste er die Mission so glatt zu Ende bringen, wie sie bisher verlaufen war.
KAPITEL 43
WOBURN, MASSACHUSETTS
Der Duft von frischem Kaffee lockte Matt aus einem traumlosen Schlaf. Alles um ihn herum wirkte verschwommen. Er versuchte sich aufzusetzen, war aber ein bisschen zu voreilig und ihm wurde schwarz vor Augen. Beim zweiten Mal ließ er sich ein bisschen mehr Zeit. Sein Kopf fühlte sich an wie mit Teer gefüllt. Er nahm seine Umgebung auf und wartete, dass er richtig wach wurde.
Der Fernseher lief. Matt versuchte, den Schleier vor den Augen wegzublinzeln. Jabba saß an dem kleinen Tisch am Fenster. Er wandte sich zu ihm um und grinste, einen dampfenden Becher Kaffee in der einen Hand und einen angebissenen Donut mit Zuckerguss in der anderen. Er zeigte vor sich auf den Tisch, wo zwei weitere große Becher Kaffee und die Schachtel mit Donuts standen.
«Frühstück ist serviert», verkündete er mit vollem Mund.
Matt lächelte müde, dann bemerkte er, dass von draußen Tageslicht hereinfiel.
«Wie lange habe ich geschlafen? Wie spät ist es?»
«Kurz vor elf. Du hast ungefähr sechzehn Stunden geschlafen.»
Das war auch dringend nötig gewesen.
Sehr dringend.
Auf dem Tisch lagen ein paar Zeitungen. Die Schlagzeilen waren in riesigen Lettern gedruckt, wie sie nur für Großereignisse benutzt wurden. Ein Farbfoto der Erscheinung nahm beinahe ein Viertel der Seite ein, dazu kamen einige ältere Porträts von Pater Hieronymus.
Matt sah Jabba am. Der Wissenschaftler nickte. «Der Adler ist gelandet», sagte er ernst und wies mit dem Kinn auf den Fernseher.
Matt sah sich die Bilder aus Ägypten in stummem Unglauben an. Atemlose Berichte aus aller Welt zeigten die explosiven Reaktionen auf die Geschehnisse beim Kloster.
Auf dem Petersplatz im Vatikan hatten sich Zehntausende Menschen versammelt und warteten sehnsüchtig auf den Rat des Papstes, wie mit der Erscheinung umzugehen war. Auf der Praça da Sé in São Paulo strömten Horden euphorischer Brasilianer zusammen, besetzten jeden verfügbaren Quadratzentimeter der Sé-Kathedrale und erwarteten ebenfalls eine Erklärung. Die Reaktionen in aller Welt spiegelten die lokalen Spielarten des Glaubens und die jeweiligen Abstufungen der Sehnsucht nach
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