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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Gewaltausbruchs war fast mit den Händen zu greifen. Dankbar ließ sie sich von einem Mönch ein Glas frische Limonade reichen und setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen ans andere Ende des Daches, den Rücken gegen eine Tasche ihrer Ausrüstung gelehnt. Dalton und Finch, die ebenfalls mit Gläsern versorgt worden waren, gesellten sich zu ihr.
    Einen Moment lang saßen sie schweigend da. Gracies Gedanken und ihr Puls beruhigten sich etwas.
    «Aufregend, nicht wahr?» Finch sah über die unregelmäßigen Kuppeldächer des Klosters hinweg. «Wie sich alles von einem Moment zum anderen ändern kann!»
    «Haben wir uns nicht eben noch am Südpol den Arschabgefroren?», fragte Dalton. «Und dann, was ist dann passiert?»
    «Wir haben die Story unseres Lebens bekommen», sagte Gracie.
    «So viel steht fest.» Dalton schüttelte den Kopf.
    Sein schiefes Lächeln entging Gracie nicht. «Was ist denn?»
    «Schon merkwürdig, oder? Ich meine, keine Ahnung, wie man das nennen soll. Glück. Schicksal.»
    «Worauf willst du hinaus?»
    «Um ein Haar hätten wir das alles verpasst. Stell dir bloß mal vor, du hättest den Anruf von Bruder Amin nicht entgegengenommen. Oder er hätte es nicht geschafft, uns davon zu überzeugen, hierherzukommen. Oder diese Dokumentarfilmer wären nicht vor uns hier gewesen und hätten diese Wandmalereien nicht aufgenommen. Dann hätten wir vielleicht bloß abgewunken, stimmt’s? Dann wären wir jetzt gar nicht hier, und nichts von alldem wäre geschehen.»
    Gracie ließ sich Daltons Worte kurz durch den Kopf gehen. «Irgendjemand anders wäre hier gewesen. Es wäre einfach die Story von jemand anderem.»
    «Meinst du? Aber wenn diese Dokumentarfilmer diese Bilder gar nicht geschossen hätten   … wenn niemand hierhergekommen wäre und sich mit ihm unterhalten hätte   … dann wäre da draußen jetzt kein Schwein. Pater Hieronymus wäre nicht hier auf dem Dach gewesen. Es hätte das Zeichen nicht gegeben.» Er zog die Augenbrauen hoch. «Da fragt man sich doch, ob er überhaupt der Erste war oder ob es vor ihm schon andere gegeben hat.»
    «Andere?», fragte Gracie.
    «Spinner, du weißt schon. Verrückte mit Stimmen im Kopf, die die Wände ihrer Wohnungen mit seltsamen Zeichen vollpinseln oder Notizbücher mit wirrem Zeug vollkritzeln. Was, wenn es vor ihm schon andere gegeben hat? Andere, die auch echt waren. Nur dass es niemand mitbekommen hat.» Er nickte nachdenklich, als wolle er seine Überlegungen bekräftigen. «Und dann das Timing. Warum gerade jetzt? Es gab andere Zeiten, in denen wir ein Zeichen hätten gebrauchen können, ein Menetekel. Warum nicht kurz vor Hiroshima? Oder während der Kubakrise?»
    «Macht Limonade dich immer so hellsichtig?», fragte Gracie.
    «Kommt drauf an, was die guten Mönche so reintun.» Er zog eine Augenbraue hoch und grinste.
    Bruder Amin steckte seinen Kopf durch die Dachluke. Er sah besorgt aus. «Kommen Sie mit, bitte. Sie müssen sich das anhören.»
    «Wohin denn?» Gracie stand auf.
    «Nach unten. Zum Auto. Bitte kommen Sie.»
    Sie kletterten hinunter und folgten ihm zum Previa, der immer noch am Tor stand. Auch der Abt war gerade dort eingetroffen. Die Wagentüren standen offen, und Yusuf und ein paar Mönche drängten sich um das Fahrzeug, die Köpfe konzentriert gesenkt, während sie einem arabischen Radiosender lauschten. Sie sahen alle zutiefst entsetzt aus.
    Ein weiterer Religionsführer hatte sich zu Wort gemeldet, nur klang er nicht so beseelt wie sein Vorgänger. Gracie verstand seine Worte nicht, aber der Tonfall war kaumzu missdeuten. Es klang ganz nach einer dieser flammenden Zornesreden, die sie in der arabischen Welt schon unzählige Male gehört hatte. Und noch bevor Bruder Amin es ihnen erklärte, wusste sie, was los war.
    «Das ist ein Imam, in Kairo.» Seine Stimme zitterte leicht. «Einer der hitzköpfigeren Geistlichen in diesem Land.»
    «Er klingt nicht sehr zufrieden», bemerkte Dalton.
    «Das ist er auch nicht», bestätigte Bruder Amin. «Er ruft seine Anhänger auf, sich nicht täuschen zu lassen. Er sagt, Pater Hieronymus sei entweder ein
hila
– ein Trick, eine Lüge des großen Satans Amerika – oder ein Gesandter des Schaitan, ein Mittler des Teufels. Er sei ein falscher Prophet, der geschickt wurde, um Angst und Verwirrung unter den Gläubigen zu säen.» Er hörte weiter zu. «Er sagt, dass sie als gute Muslime ihre Pflicht tun und sich an die Predigten vom einzig wahren, rechtmäßigen Glauben erinnern

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