Mensch, Martha!: Kriminalroman
sind
sie.
–21–
Am Mittwoch will Rebekka partout wieder zur Schule
gehen. Martha muss sie überreden, den Tag noch blau zu machen.
Um zehn haben sie den Termin
bei Hauptkommissar Duschl. Im Treppenhaus treffen sie Frau
Kaufmann. Sie hat aus der Tageszeitung erfahren, was passiert
ist. Sie ist zerknirscht. Sie verknüpft viele hätte und wäre und kommt dann zu dem Schluss, Mitschuld zu tragen.
Martha wiegelt das ab.
»Ich will Ihnen noch etwas
sagen, Frau Morgenstern. Das ist unabhängig von dem, was am
Montag passiert ist. – Mein Sohn zieht mit seiner Frau und den
beiden Kindern nach Berlin. Ich bin da oft als Oma eingesprungen. Ich
bin jetzt sozusagen arbeitslos. Ich würde Ihnen gerne helfen. Sagen
Sie jetzt nicht ja oder nein, sondern lassen Sie es sich durch den
Kopf gehen.«
Martha sagt nicht ja oder nein,
sie sagt erst einmal danke.
Nachdem Rebekka ihre Aussage
gemacht hat, fahren sie in ins Rechts-der-Isar. In einer Apotheke
kauft Martha eine Tube Lippenbalsam. Martha geht einfach davon
aus, dass die zehn Minuten kein einmaliges Zugeständnis waren.
Schwester Britta hat wieder
Dienst. Es ist ihr anzusehen, dass sie sich ärgert. »Zehn Minuten!«
verkündet sie mit zusammengekniffenen Augen. »Und wenn Sie
wieder Scherereien machen, hat das Konsequenzen!«
Die war mal Knastaufseherin.
In einem Land, wo gefoltert wird.
Radspieler ist wach. »Rebekka!«
sagt er mit rauer Stimme, als er sie erblickt.
»Hast du noch Durst?«
Er bewegt den Kopf zu einem
Nein.
»Du bist vom Dach gefallen.«
»Ich weiß«, sagt er heiser.
Seine Lippen sind rissig.
»Hast du Halsweh? Oder zu viel
geraucht?«
Kopfbewegung nein.
Sie tritt nahe an sein Bett und
streichelt über seine bandagierte Hand. »Ich hab dich geschnitten.«
»Das tut nicht mehr weh.«
Martha bleibt im Hintergrund.
Sie beneidet Rebekka um ihre Unbefangenheit. Darum, dass sie an
sein Bett treten kann und nichts zwischen ihnen steht.
Nach neuneinhalb Minuten holt
Martha die Tube aus der Jackentasche. Ihre Einschätzung der
Situation ist richtig. »Die zehn Minuten sind um!« sagt
Schwester Britta, die Wärterin auf der Intensivstation.
»Auf Wiedersehen, Rebekka.
Besuch mich wieder«, krächzt er leise. Er sieht Martha an.
»Auf Wiedersehen, Frau Morgenstern.« Seine linke Hand hebt sich
leicht und deutet so etwas wie ein Winken an.
Martha sagt
nichts darauf. Sie legt die Tube auf das Nachtschränkchen. Irgendjemand hier wird es schnallen und deine Lippen eincremen.
Martha ist auf dem Sofa eingeschlafen. Sie
schreckt hoch, als das Telefon klingelt.
Es ist Straßenberger. »Martha,
sind Sie zu Hause?« Ja, aber nicht ganz da.
»Martha, wir blicken langsam
durch. Sie möchten doch sicher wissen, was Sie da alles
aufgedeckt haben?«
Martha reibt sich das linke
Auge. »Ich?« Ihre Gehirnzellen halten nicht Schritt.
»Ich bin gerade im Büro von
Frau Noll. Wir werden schnell bei Ihnen vorbeikommen. Passt es?«
Sie ist plötzlich hellwach. Heiliger Bimbam! Die Noll! In meiner Wohnung!
Sie räumt im Wohnzimmer den
Tisch ab, wischt im Bad Zahnpastaflecken aus dem
Waschbecken, rafft herumliegende Kleidungsstücke zusammen und
rennt mit dem Staubsauger durch die Wohnung.
»Kriegen wir Besuch?« fragt
Rebekka, als Martha hektisch die Spülmaschine ausräumt, damit
das schmutzige Geschirr darin verschwinden kann.
»Kommt etwa die Oma?«
Nein, die Noll. Martha
hält inne. Aber nicht mit einem Durchsuchungsbefehl!
»Da haben Sie einen ziemlich dicken Fisch an Land
gezogen«, sagt sie anstelle einer Begrüßung.
Martha hat Tee gemacht. Sie hat
außer Rum und Zucker nichts, was sie dazu anbieten könnte. Man
scheint es ihr aber nicht zu verübeln. Mama sagt, man sollte
immer eine Packung Kekse im Haus haben.
»Ich hab hier überhaupt
nichts geangelt. Das waren andere. Ich hab alles eher vergeigt.«
Rebekka steckt den Kopf zur Tür
herein. »Sind das die Leute, für die du noch schnell die Wohnung
gesaugt und das Klo geputzt hast?«
Martha möchte in den Erdboden
versinken.
Frau Noll lacht. »Und du bist
die Rebekka?
»Ja. Und wer bist du?«
»Ich bin die Noll.«
»Hast du keinen Vornamen?«
»Den hab ich irgendwo
verloren.«
»Aha. Ich hab neulich meinen
Schal verloren. – Ich höre jetzt Kassette. Tschüß!«
»Es geht ihr gut?« fragt die
Noll.
»Ich denke ja.«
»Gott sei Dank!« sagt die
Noll und es klingt richtig ehrlich. »Also Morgenstern, wie
gesagt – ein großer Fisch. Sie lagen mit Zeller völlig
richtig. Was wir nicht
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