Mensch, Martha!: Kriminalroman
hat
trotzdem Durst!«
Schwester Britta blickt auf die
Uhr. »So. Die zehn Minuten sind sowieso vorbei. Ich fordere Sie auf
zu gehen!« Sie stellt sich zwischen Martha und das Krankenbett,
als müsste sie Radspieler vor ihr beschützen.
Martha blickt an ihr vorbei auf
sein Gesicht. Er hat die Augen wieder geschlossen.
Ich wünsche dir, dass es
dir bald besser geht.
Und dir, Schwester Britta,
wünsche ich einen Scheidenpilz, einen, der sich gewaschen hat.
In der U-Bahn ändert Rebekka ihren Berufswunsch.
Sie will nicht länger Verkäuferin in einem Spielwarengeschäft,
sondern Krankenschwester werden. »Und zwar eine, die die
Leute nicht verdursten lässt!«
Martha versucht sich zu
erinnern, wie viele Knochen in seinem Körper gebrochen sind. Sie
kommt auf zehn. Milzriss. Was zum Teufel bedeutet das? Wächst die
wieder zusammen? Wozu braucht der Mensch die Milz?
Zu Hause hört Martha den
Anrufbeantworter ab. Ein Hauptkommissar Duschl bittet um ihren
Rückruf. Man müsste mit Rebekka sprechen, da Herr Radspieler bis
auf weiteres nicht befragt werden kann. Martha ruft ihn an und
vereinbart einen Termin am nächsten Vormittag.
Am späten Nachmittag kommen
Barbara und Marthas Vater. »Wir haben es im Radio gehört«, sagt er
und drückt Martha an sich. »Mama lässt dich ganz lieb grüßen ...
Sie dachte, es wäre besser, wenn nur Barbara und ich dich besuchen!«
Er stellt eine Tupperschüssel auf den Dielenschrank.
»Hackbraten?« fragt Martha.
»Nein, Rindsrouladen. –
Martha, Mama meint es nur gut!«
»Ich weiß.«
Rebekka nimmt Barbara in
Beschlag und zieht sie ins Wohnzimmer. Sie zeigt ihr ein Bild,
das sie eben gemalt hat, ein Monstergesicht, dem Blitze aus den
Augen schießen. Die Zähne sind wie Dolche.
»Ist das einer von den bösen
Männern?« fragt Barbara erschrocken. »Nein, das ist die
Krankenschwester Britta.« Rebekka ergänzt ihre Zeichnung um eine
Sprechblase: Trinken verboten!
Martha und ihr Vater stehen
immer noch in der Diele, als es klingelt. Es ist Thomas.
»Mensch, Thomas!«
»Mensch, Martha!«
»Komm doch rein!«
Er tritt sich die Füße ab wie
ein braver Schuljunge. Seine rechte Hand ist verbunden. Sie sieht aus
wie eine Hasenpfote. Es sind nur die Spitzen von Zeige- und
Mittelfinger zu sehen. Martha hilft ihm aus der Jacke.
»Wie geht es dir?« fragt er.
Er ist unrasiert.
»Gut. Und dir?«
»Auch gut.«
»Hast du Appetit auf
Rindsrouladen? Barbara und mein Vater sind da. Sie haben mich
beliefert.«
»Ehrlich gesagt, ich bin in
der Hoffnung gekommen, dass es bei dir was Essbares gibt. – Was
guckst du so, Martha?«
Waren da nicht Pünktchen in
seinen Augen? »Hab ich geguckt?«
Er klopft an den Türstock im
Wohnzimmer.
»Hi!« sagt Barbara und deutet
auf seine Hand. »Ich dachte, du hättest Zahnschmerzen?« Sie
streckt ihre Hand seiner linken entgegen.
Thomas geht einen Schritt auf
sie zu und schließt beide Arme um sie. Barbara ist verwirrt. Sie
erwidert die Geste nicht, sondern steht mit hängenden Armen in
seiner Umarmung. Dann legt sie die Wange an seine Brust.
Marthas Vater blickt zu Martha.
Die zuckt mit den Achseln. »Ich mach dann mal die Rouladen warm!«
»Ich helfe dir«, sagt Marthas
Vater.
»Kennt der Barbara näher?«
fragt er in der Küche.
»Eigentlich nicht.« Aber
er kennt ihr Geheimnis.
Martha kocht Nudeln und teilt
die drei Rouladen in fünf Teile. Barbara und Marthas Vater
verzichten, sodass Thomas zu einer richtigen Portion kommt.
Martha schneidet ihm das Fleisch.
Sie reden über das, was
passiert ist. Rebekka sitzt bei ihrem Opa auf dem Schoß.
»Wir waren heute bei
Radspieler«, sagt Martha.
»Und?« fragt Thomas.
Zuführende Schläuche,
abführende Schläuche. Eigentum des Klinikums
Rechts-der-Isar. »Wenn ich es richtig zusammenbringe, hat er
zehn Knochen gebrochen.«
»Und im Krankenhaus lassen sie
ihn verdursten!« mischt sich Rebekka ein.
Ja, Durst hat er außerdem. »Welche Bedeutung hat eigentlich die Milz?« fragt Martha.
»Früher habe ich viel
Milzwurst gemacht, aber die ist heute überhaupt nicht mehr
gefragt«, sagt ihr Vater.
»Papa! Du Metzger! Ich rede
von einem Menschen!«
»Wird er wieder gesund?« will
Thomas wissen.
»Ich hab mich nicht getraut zu
fragen.«
Als Barbara und Marthas Vater aufbrechen, schließt
sich Thomas ihnen an. Martha zieht ihm den Reißverschluss am
Anorak zu. Und dann sieht sie es ganz deutlich. In seinen Pupillen
sind tatsächlich Pünktchen. Sie tanzen zwar nicht, aber da
Weitere Kostenlose Bücher