Mensch, Martha!: Kriminalroman
mag?«
»Ich weiß es nicht, Barbara.
Er verhält sich ... ambivalent.«
»Ein anderes Wort für
kompliziert.«
»Wahrscheinlich. Sag nichts zu
Mama.«
»Du auch nicht.«
»Grüß sie von mir.«
Martha konnte sich mit ihrer
Mutter darauf verständigen, über heikle Themen nicht mehr zu reden.
In einem konstruktiven Gespräch haben sie festgestellt, dass in
den letzten Jahren bereits
alles gesagt worden ist. Die Folge dieser Vereinbarung ist, dass sie
überhaupt nichts mehr miteinander reden, was über ein
»Möchtest du noch Salat?« oder »Tante Irmgard war am Wochenende
da und lässt dich grüßen!« hinausgeht. Der Ton zwischen ihnen
ist seit langem nicht mehr gereizt. Martha findet, es tut ihnen
beiden gut.
Radspieler lässt Martha über Rebekka bitten, ob
sie ihn nicht mit Lesestoff versorgen könnte. Martha beginnt
links in ihrem Regal. Als sie das Buch
»Gottes Werk und Teufels Beitrag« herauszieht, entdeckt
sie den braunen Umschlag mit den aufgemalten Blümchen. Für Frau
Martha Morgenstern.
Ihre Hand zittert, als sie ihn
mit einem Messer aufschlitzt. Dann muss sie sich setzen. Corinna .
Ein Cinderella-Typ . Tränen steigen in Marthas Augen. Aus dem
Kinderzimmer tönt Benjamin Blümchen, der sich daran macht, wieder
einmal alles zum Guten zu wenden. Rebekka singt sein Lied aus
voller Kehle mit.
Martha steckt die Bilder in den
Umschlag zurück. Sie wäscht sich die Hände und trinkt
Leitungswasser, um den Geschmack aus ihrem Mund loszuwerden.
Sie reimt sich zusammen, wie es
gewesen ist. Rebekka hat das Kuvert versteckt und dann vergessen. Sie
spricht Rebekka nicht darauf an. Sie will mit ihr nicht über
diesen Briefumschlag reden.
Martha spürt ein Kribbeln in
der Oberlippe.
Am nächsten Tag bringt sie die
Bilder vor Dienstbeginn zur Staatsanwaltschaft. Auf ihrer
Oberlippe prangt ein Herpesbläschen in der Größe eines
Centstückes.
Am vierten Dezember ist der Stehempfang von
Staatsanwältin Noll in einem kleinen Lokal in Haidhausen. Martha
kauft ein weinrotes Kordkleid für Rebekka und für sich selbst
eine sündhaft teure Bluse in der gleichen Farbe. Rebekka redet ihr
zum Kauf von Schuhen mit Absatz zu. »Alle Mamas haben schöne
Stöckelschuhe. Nur du nicht!«
Martha holt den kurzen Rock aus
der Versenkung, den sie vor gut einem Monat in den hintersten Bereich
des Kleiderschrankes verbannt hatte. Den habe ich an dem
Abend das erste und das letzte Mal getragen, als er im
Wohnzimmer der Eltern saß und mit Rebekka MEMORY spielte. Ich
hätte ihn anspucken können.
Martha und Rebekka nehmen die
U-Bahn. Wenn die Noll fünfzig wird, kann man nicht nur Saft
und Wasser trinken.
Martha erlebt zwei
Überraschungen auf der Geburtstagsfeier.
Die erste sind die Tabletts mit
den Canapés. Sie erkennt eindeutig Barbaras Handschrift.
»Straßenberger hat mir erzählt, dass Ihre Eltern eine Metzgerei
besitzen. Ich wollte sehen, ob die auch so gute Arbeit leisten wie
Sie«, erklärt die Noll. Sie drückt Martha ein Glas Sekt in die
Hand. »Schön, dass Sie gekommen sind, Morgenstern!« Sie wendet
sich an Rebekka. »Und was trinkst du?«
»Apfelsaft. Aber bitte auch
aus einem schönen Glas. Und weil heute dein Geburtstag gefeiert
wird, unverdünnt. – Und übrigens, Noll, ich hab meinen Schal
wieder gefunden!«
Die zweite, größere
Überraschung ist, dass Thomas in Begleitung kommt. Sie trägt ein
Etuikleid aus dunkelblauem Taft, das sie ganz offensichtlich für
diesen Anlass gekauft hat. Martha bleibt die Luft weg. Eine Fata
Morgana in Haidhausen.
Sie haben Martha entdeckt und
steuern auf sie zu. Barbara sieht wunderschön aus. Ihre Augen
strahlen. Sie trägt die Perlenkette, die Martha ihr zur
Meisterprüfung geschenkt hat.
»Hallo, Martha!«
»Hallo, Barbara!«
Sie umarmen sich.
Thomas küsst Martha auf die
Wange.
»Ich hatte keine Ahnung, dass
du undercover arbeitest«, flüstert Martha in sein Ohr.
Ein Kellner bietet Sekt an,
Barbara greift zu. Ihr Kleid knistert.
Thomas sagt: »Für mich nur
Saft. Ich fahre die Damen.« Er lacht Martha an. Was war das in
seinem linken Auge? »Damit ihr euch ordentlich
amüsieren könnt.«
»Na denn!« Martha stellt ihr
leeres Glas auf dem Tablett ab und nimmt sich ein neues.
Rebekka hängt sich bei Barbara
ein und schleppt sie ab, um ihr das Büffet mit den Süßspeisen zu
zeigen. Thomas blickt ihnen nach. »Sie sieht aus wie eine
Prinzessin!«
»Du meinst Rebekka?«
Er grinst. »Klar. Wen denn
sonst?«
Martha sieht ihn an. Pünktchen,
ganz deutlich
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