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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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vorletzten Sendung (1 980 457 Zuschauer), in der festgestellt werden konnte, dass es jemandem gelungen war, Miss Hälsingland 1995 mit einer Quote von 4,82 zu schwängern. Und in der gleichen Sendung wurde der ehemalige Hindernisläufer Walter Hermansson in all seiner betrunkenen und frustrierten Jämmerlichkeit entlarvt, wie er am Ufer mit kräftigen Handgriffen, den Mond anheulend, onanierte. Ein Fernsehkolumnist schrieb in einer norrländischen Zeitung, das sei ein visueller Meilenstein gewesen.
    Wichs-Walter bekam fast genauso große Schlagzeilen wie Miss Hälsingland, aber in der letzten Sendung (2 001 775) – in der der Eishockeyspieler etwas überraschend (Einzelquote: 6,60, Paarquote: 21,33) als der glückliche Zuchthengst und Kindesvater entlarvt wurde – nahm er gar nicht mehr teil. Er hatte Fucking Island verlassen und befand sich in einem Erholungsheim zur Krisenintervention an einem geheimen Ort im Königreich Schweden.
     
    Walter zog sich die Mütze tiefer in die Stirn und setzte sich die gelbgetönte Sonnenbrille auf, bevor er in die Tankstelle ging und bezahlte. Außerdem kaufte er sich Kaffee und Zigaretten; es war ihm plötzlich aufgegangen, dass er es ohne eine konstant hohe Dosis Nikotin in den Adern mit seinem Vater oder seiner großen Schwester nicht aushalten würde.
    Es war Viertel nach vier. Es war Montag, der 19. Dezember, und weniger als anderthalb Stunden Fahrzeit bis Kymlinge. Er umrundete viermal die Tankstelle, nur um die Zeit herumzubringen. Rauchte zwei Zigaretten. Er hatte versprochen, spätestens um sieben Uhr da zu sein. Es gab keinen Grund, schon um sechs oder halb sieben anzukommen. Als er wieder ins Auto stieg, hatte er immer noch das Gefühl, viel zu früh zu sein, aber vielleicht konnte er ja noch einmal anhalten? Warum eigentlich nicht? Sich eine Limonade und einen Kaugummi an einem anderen Kiosk kaufen und so noch zehn Minuten herausschinden.
    Er fuhr auf die Straße und versuchte, sich das illusorische Bild von Jeanette Andersson vor Augen zu führen, die vielleicht zu seiner Retterin in der Not werden könnte, die er aber nur schwer zu fassen bekam. Allein der Gedanke, dass sie ihn bereits in der Jugend bewundert hatte, war verlockend, wurde immer verlockender, je länger er sich damit befasste. Fünfzehn, zwanzig Jahre zurückgehaltene, unterdrückte sexuelle Sehnsucht; welche Blume der Liebe konnte nicht auf so einem Nährboden sprießen?
    Aber es war schwierig, mit den Gedanken bei ihr zu bleiben. Er war noch nicht mehr als zehn, fünfzehn Minuten gefahren, als er stattdessen von etwas ihm bis dahin Unbekannten überfallen wurde. Von einem schwächenden, fast lähmenden Gefühl des Unbehagens, so stark und unerbittlich, dass er auf einen Parkplatz abbiegen, wieder aus dem Wagen steigen und sich erneut eine Zigarette anzünden musste.
    Er schaute sich um. Es war ein absolut gewöhnlicher Parkplatz, und außer seinem standen keine weiteren Autos in der graukalten, unwirtlichen Nachmittagsdämmerung, die herrschte. Der Asphalt glänzte und war schneefrei. Kein Eis, wahrscheinlich ein paar Grad über Null. Dichter Nadelwald zu beiden Seiten der Straße; der Verkehr war spärlich, ungefähr ein Auto pro Minute aus jeder Richtung, der Wind wehte schwach aus Norden, wenn er die Himmelsrichtungen richtig deutete.
    Aber es war nicht die äußere Welt, die sich ihm aufdrängte. Das Gefühl, das langsam in ihm aufstieg, war gleichzeitig vertraut und unerhört fremd. Es kam unten von einem Punkt zwischen Magen und Brustkorb, vielleicht vom Solarplexus, und wuchs langsam an, zum überwiegenden Teil nach oben, wie ihm schien, und legte alles, was sich ihm in den Weg stellte, in Schutt und Asche. Ein inneres Wüstenfeuer, ein kalter Brand, den zu bekämpfen nicht möglich war, nur abzuwarten und zu akzeptieren.
    Ich werde sterben, dachte Walter. Hier und jetzt auf diesem immer dunkler werdenden Parkplatz werde ich schließlich sterben. Das lässt sich nicht aufhalten, ich brauche nicht einmal auf die Straße vor ein Auto zu springen. Ich trage den Keim des Todes bereits seit langem in mir, er hat dort geruht, ist dort gewachsen und hat auf seine Stunde gewartet, und jetzt ist es soweit. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann mich tatsächlich nicht bewegen, alles ist erstarrt, das ist das Ende des Weges, es wird nie ein Roman von meiner Hand geschrieben veröffentlicht werden. Kein Mensch wird jemals Mensch ohne Hund zu lesen bekommen.
    Er versuchte, die Zigarette an den Mund zu

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