Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
auf Henrik zu werfen vielleicht? Oder auf Walter und alles?
»Warum sollten wir Licht machen? Es ist fast ein Uhr.«
»Ich weiß«, sagte Leif Grundt. »Ich ziehe meinen Vorschlag zurück. Aber was meinst du, wo Walter steckt?«
Es vergingen ein paar Sekunden, bevor Ebba antwortete.
»In der Sache möchte ich dir recht geben«, sagte sie.
»Was?«, fragte Leif, ehrlich erstaunt. »Jetzt verstehe ich nicht, was du meinst.«
»Eine Frau«, seufzte Ebba. »Du hattest doch die Theorie, dass er eine Frau getroffen hat. Ich bin deiner Meinung, das klingt wirklich ziemlich logisch. Und natürlich hat er auch hier im Ort noch eine alte Flamme.«
»Hm«, sagte Leif Grundt und legte vorsichtig seine rechte Hand auf ihre Hüfte.
Aber es war genauso erfolglos, wie er es sich gedacht hatte.
Zwei richtige Theorien an ein und demselben Tag, dachte er fröhlich und ließ ein Kichern in der Dunkelheit vernehmen.
»Worüber lachst du?«, fragte Ebba. »Wenn es in dieser Situation etwas gibt, worüber man lachen kann, dann möchte ich gern mitlachen.«
»Geteilte Freude ist halbes Leid«, sagte Leif und drehte ihr den Rücken zu. »Nein, es war nichts, es hat mich nur in der Nase gekitzelt. Und jetzt schlafen wir drüber.«
Ich bin mit einem Idioten verheiratet, dachte Ebba Hermansson Grundt. Aber ich habe ihn mir selbst ausgesucht.
Oder etwa nicht?
Die Straßen stellten sich doch als weniger befahrbar heraus, als Jakob Willnius vermutet hatte, und er brauchte mehr als eine Stunde, um die ersten siebzig Kilometer zurückzulegen. Zwei Schneepflüge begegneten ihm, einen überholte er.
Was eigentlich nicht so entscheidend war. Es gefiel ihm, allein Auto zu fahren, besonders nachts; der Mercedes schnurrte wie eine Katze, und im CD-Player drehte sich eine Scheibe mit Thelonius Monk. Er dachte an Kristina. Musste sich eingestehen, dass er in letzter Zeit über ihre Beziehung etwas besorgt gewesen war, aber jetzt war wohl wieder alles gut. Es war ein paar Wochen her, seit sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten, aber sie hatte ihre Menstruation gehabt, und er wusste, dass das nichts war, worüber er sich Sorgen machen musste. Und letzte Nacht hatten sie einen herrlichen Beischlaf gehabt. Wieso benutze ich das uralte Wort »Beischlaf«?, dachte er, aber liebe Kinder haben natürlich viele Namen. Sie hatte sich in einer Form verhalten, wie sie es seit Kelvin so gut wie nie mehr getan hatte. Und dann, als sie sich vor einer guten Stunde vor dem Hotel voneinander verabschiedet hatten, da hatte er ihr angesehen, dass sie ihn auch in dieser Nacht gerne empfangen hätte.
Und sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn liebe – auf diese Art und Weise, die besagte, dass sie es wirklich tat.
Du hast wirklich Glück, Jakob Willnius, dachte er. Verdammt großes Glück, vergiss das nicht.
Er wusste, dass es stimmte. Es gab keinen Zweifel daran, dass er ein Glückspilz war. Er hatte mehr bekommen, als er verdient hatte. Die Sache mit Annica hätte in einer Katastrophe enden können, o ja, aber er war mit heiler Haut davongekommen. Wäre es richtig schiefgelaufen, hätte es zum Prozess und Skandal kommen können, doch Gott sei Dank hatte er Geld. Annica und ihr Anwalt hatten eine finanzielle Lösung akzeptiert, unter der Voraussetzung, dass sie das Sorgerecht für die beiden Töchter bekam und ihn nie wieder sehen musste.
Aber Annica, das war eine andere Geschichte, dachte er, die sich in einem anderen Kapitel seines Lebens abgespielt hatte. Er hatte daraus seine Lehren gezogen.
Dennoch kam es vor, dass er von ihr träumte, Albträume wie auch das Gegenteil, heiße, erregende Träume, die manchmal so realistisch erschienen, dass er meinte, ihren Geruch noch zu spüren, wenn er hinterher aufwachte.
Im Augenblick jedoch hatte er Kristinas Geruch in den Nasenflügeln. Scheiße, dachte er, wie ich mich nach ihr sehne. Er wünschte, sie wäre mit ihm gekommen. Wenn nicht dieser verfluchte Walter verschwunden wäre, könnte sie jetzt neben ihm im Auto sitzen. Sie könnten gemeinsam durch die Nacht fahren, und er bräuchte nur seine Hand auszustrecken, um zu …
Das Telefon unterbrach seine Phantasien.
Das ist sie, dachte er. Das ist Kristina.
Aber sie war es nicht. Es war Jefferson.
»Jakob, I’m terribly, terribly sorry«, begann er.
Und dann bat er um Entschuldigung dafür, dass er noch so spät in der Nacht anrief, aber das war nicht der Grund, warum es ihm so leidtat. Nein, die Dinge hatten sich so infernalisch in Oslo
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