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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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noch ein Punktesystem entwickelt im Hinblick darauf, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass ein vorteilhaftes Ergebnis einträfe. Wenn Gunnar nicht erhört wurde, bekam Der Liebe Gott jedes Mal einen Minuspunkt – wurde er erhört, konnte er einen, zwei oder sogar drei Pluspunkte bekomme.
    Ein Jahr nach der Scheidung existierte Gott nicht. Er hatte insgesamt 18 Pluspunkte gegen insgesamt 39 Minuspunkte erreicht, das heißt, ein Minusergebnis von 21.
    Im folgenden Jahr lief es ein wenig besser, und die Balance stand bei minus 15. Im dritten Jahr fiel er wieder auf minus 18 zurück, aber dann im vierten – jetzt laufenden – Jahr kam der Umschwung. Bereits im Mai war der Abstand eingeholt worden, und Mitte Juli existierte Gott tatsächlich mit einem sicheren Vorsprung von sechs Punkten, eine Notierung, die jedoch von einer ziemlich finsteren, verregneten Ferienwoche in Schottland aufgezehrt wurde, einer Mittelohrentzündung sowie einem Herbst, der mit schwerer und nur zäh vorankommender Polizeiarbeit vollgestopft war.
    Am heutigen Tag, Donnerstag, dem 22. Dezember, lag Gott zwei Punkte unter der Existenzlinie – neun Tage vor Jahresende. Es waren zwar noch gut sechs Jahre in diesem Marathonlauf zu absolvieren, aber es wäre dennoch lustig, Silvester in der frommen Hoffnung zu feiern, dass es doch eine dem Menschen wohlgesonnene höhere Macht gab, an die man sich in den Stunden der Not wenden konnte.
    Fand Gunnar Barbarotti. Vielleicht war das auch der Grund, warum er am Tag zuvor spätabends eine etwas verzweifelte Drei-Punkte-Bitte hinaufgesandt hatte – denn wenn Gott schlau genug war, sie in Erfüllung gehen zu lassen, dann würde sozusagen die Gleichung aufgehen. Zwar nur mit einem einzigen jämmerlichen Punkt, aber in einem PS zu dem Gebet, das er wenige Minuten, nachdem er an diesem Morgen aufgewacht war, abgesandt hatte, also vor nicht einmal einer Stunde -, hatte Gunnar dem eventuell existierenden Allmächtigen versprochen, dass er ihn, so er nur dieses einzige Mal erhört würde, bis Neujahr nicht mit weiteren Bitten belästigen würde. Gott konnte sich also darauf freuen, mindestens zehn Tage in Ruhe gelassen zu werden. Über die Jahreswende hinaus, wäre das nicht eine Feder, die er sich an den Hut stecken mochte?
    Worauf Gott geantwortet hatte, dass er zwar keine Kopfbedeckung trage, er sich aber der Sache mit dem üblichen Wohlwollen und der üblichen Redlichkeit annehme.
    Es sei etwas eilig, hatte Gunnar angemerkt. Der Zug sollte um 13.25 abfahren, und wenn bis dahin nichts geschehen war, dann konnte man die Sache als gelaufen betrachten. Um es klar zu sagen.
    I see, sagte Gott.
    Good, sagte Gunnar.
     
    Es ging um Weihnachten.
    Seit Helenas plötzlichem Aufbruch – zwischen den Tagen vor vier Jahren – hatte Gunnar Barbarotti Probleme, die richtige Weihnachtsfreude aufzubringen. Die einstmaligen Ehegatten waren auch nicht auf die Idee gekommen, das Fest um der Kinder willen gemeinsam zu feiern, eine Lösung, die im Bekanntschaftskreis eher die Regel als die Ausnahme war. Stattdessen gab es eine Ein-Jahr-ums-andere-Regelung: alle drei Kinder die ersten Weihnachten bei Helena, alle drei bei Gunnar die zweiten und so fort. Dieses Jahr war Gunnar an der Reihe, Lars und Martin in seiner Dreizimmerwohnung in Kymlinge in Empfang zu nehmen, das älteste Kind, die Tochter Sara, die achtzehn Jahre alt war und die vorletzte Klasse auf dem Gymnasium besuchte, wohnte bereits beim Vater – ein Beschluss, den sie im Zusammenhang mit der Scheidung getroffen hatte und der ihn gleichermaßen überraschte wie erfreute.
    Aber Lars und Martin – zu diesem Zeitpunkt neun beziehungsweise elf Jahre alt – wohnten bei ihrer Mutter in Södertälje.
    Bei ihrer Mutter und Stiefvater Fredrik, wenn man es genau nahm. Bis vor kurzem jedenfalls. Fredrik Fyrehage war verdächtig schnell nach der Scheidung aufgetaucht, aber es war Barbarotti gelungen, sich in dieser Sache zurückzuhalten und nicht weiterzuforschen. Manchmal war die Würde wichtiger als das Wissen. Es hatte ihn einige schlaflose Nächte gekostet, aber es war ihm gelungen.
    Auf jeden Fall hatte sich dieser Fredrik von Anfang an als ein Wunder von einem Menschen erwiesen, und er besaß im Großen und Ganzen ausnahmslos all die wichtigen Eigenschaften und Tugenden, die Barbarotti selbst fehlten – bis zum September dieses Jahres, als er ohne weitere Erklärung Helena wie auch Lars und Martin verlassen hatte, weil er eine farbige Bauchtänzerin von der

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