Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
seinen Deal mit Gott machte.
Was die Frage der Existenz des Letztgenannten betraf. Seiner eigenen Existenz war sich Gunnar Barbarotti nur allzu schmerzlich bewusst. Er und Helena waren fünfzehn Jahre verheiratet gewesen, sie hatten drei Kinder, und plötzlich – praktisch von einem Tag auf den anderen – feststellen zu müssen, dass man sich auf verbranntem Boden befand, hatte ihn an allem zweifeln lassen. Gottes Dasein oder Abwesenheit stand sicher nicht an erster Stelle auf der Tagesordnung – dort standen eher Fragen nach dem Sinn, den es brachte, sich überhaupt weiterhin abzumühen, und was er falsch gemacht hatte, warum sie nicht früher etwas gesagt hatte, was zum Teufel er abends anfangen sollte, wenn er keine Überstunden machen konnte, und ob es nicht das beste wäre, ganz und gar den Job zu wechseln. Aber einen Monat nach dem tödlichen Schlag, als er bereits in seine düstere Dreizimmerwohnung in der Baldersgatan in Kymlinge gezogen war, tauchte also Gott in einer Reihe schlafloser Nächte auf.
Vielleicht hatte ja Gunnar selbst ihn herbeigerufen. Ihn aus seiner malträtierten Seele hervorprojiziert, um ihn zur Rede zu stellen – aber wie immer es sich auch verhielt, so war es jedenfalls ein langes, ergiebiges Gespräch gewesen, das wie gesagt in dem aktuellen Deal mündete.
Es gab so viele erbärmlich alberne Gottesbeweise, darin waren Gunnar Barbarotti und Der Herr sich einig. Mal wurde das eine, mal das andere kurzlebige Ereignis oder irgendeine theologische Spitzfindigkeit herangezogen, um das sogenannte Grundproblem in trockene Tücher zu packen. Anselm. Descartes. Thomas von Aquino. Was Gunnar suchte – und wofür Gott, wie er behauptete, vollstes Verständnis hatte -, war etwas Handfesteres. Eine einfache, rationale Methode, die die Frage ein für alle Mal beantworten konnte. Das durfte gern einige Zeit in Anspruch nehmen, wie Gott meinte. Ja, sicher, aber nicht allzu lang, meinte Gunnar, der auf seine begrenzte Lebensspanne Rücksicht zu nehmen hatte – und Gott hatte zugehört und war auch ohne unnötiges Palaver auf diese Bedingung eingegangen.
Zum Schluss – die Uhrzeiger näherten sich inzwischen fünf Uhr morgens, und ein vom Teufel georderter Schneepflug hatte angefangen, den Asphalt vor Gunnar Barbarottis Schlafzimmerfenster zu kratzen, dass es Funken schlug – war man sich über folgendes Beweismodell einig geworden:
Wenn Gott tatsächlich existierte, dann bestünde eine seiner wichtigsten Arbeitsaufgaben darin, den Gebeten der armen Menschheit zu lauschen – und diese so weit zu erhören, wie es ihm angemessen erschien. Natürlich besaß er das Recht, die unbefugten und eigennützigen Wünsche umgehend zu verwerfen. Gunnar Barbarotti seinerseits konnte sich nicht daran erinnern, ein einziges Mal in seinem Leben erhört worden zu sein. Tatsächlich?, hatte Gott erwidert. Und wie viele Gebete hast du reinen, ernsten Herzens zu mir herauf geschickt, du agnostische Kanaille? Barbarotti musste zugeben, dass er darüber keinen genauen Überblick hatte, aber so schrecklich viele konnten es natürlich nicht gewesen sein – doch Schluss mit dem Schnee von gestern, jetzt war er bereit, dem Ganzen eine reelle Chance zu geben.
In Ordnung, sagte Gott. We have a deal, sagte Gunnar – als ob die unbedeutende schwedische Sprache nicht in der Lage sei, eine Abmachung dieses Kalibers auszudrücken oder überhaupt zu erfassen.
Die äußere Zeitspanne wurde auf zehn Jahre festgesetzt. Während dieser Zeit sollte Gunnar Barbarotti die angebliche Existenz Des Herrn testen, indem er Gebete zu ihm sandte, so oft es angemessen und berechtigt erschien, um dann – in einem eigens für diese Zwecke angeschafften Notizbuch – zu notieren, inwieweit sie eingelöst worden waren oder nicht.
Es durfte sich dabei natürlich nicht um irgendwelche Idiotenwünsche handeln – große Geldgewinne beim Pferderennen oder Lotto, schöne Nymphen, die aus dem Nichts auftauchten und nichts mehr wünschten, als zu dem Kommissar ins Bett zu schlüpfen, oder ähnliche egoistische Ideen -, sondern sozusagen um uneigennützige, angemessene Wünsche. Die in Erfüllung gehen konnten, wenn man nur ein kleines bisschen Glück hatte, und die niemand anderen betrafen. Eine Nacht guten Schlafes. Gutes Wetter während einer Angeltour. Dass die Tochter Sara ihren Streit mit ihrer besten Freundin Louise in zufriedenstellender Art und Weise regeln würde.
Später hatte Gunnar Barbarotti (in Zusammenarbeit mit Gott natürlich)
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