Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
normalerweise schon vor langer Zeit gelöst haben sollte.
Kristoffer seufzte und nahm noch ein Schmalzgebäck, obwohl er pappsatt war. Das Kartoffelmus lag wie ein langsam anschwellender Kleisterkloß in ihm, und er überlegte, ob er sich nicht einfach die Treppe hochschleppen und ein kleines Nickerchen im HZdW machen sollte, solange alle auf die Rückkehr des verlorenen Sohnes warteten. Aber vielleicht war es doch am besten, auf seinem Platz à … wie hieß es noch … jour? … zu bleiben mit den Ereignissen, die eintreffen würden. Oder auch nicht eintreffen würden.
Was dann tatsächlich eintraf, genau in dem Moment: Großvater Karl-Erik erhob sich mühsam aus seinem Sessel und trat ans Fenster. Er schob die Hände in die Hosentaschen und wippte ein paar Mal auf Fersen und Hacken hin und her. Räusperte sich lautstark, immer noch mit dem Rücken zu den anderen. »Hm!«, intonierte er. »Jetzt ist es ja so, dass Rosemarie und ich um vier Uhr auf der Bank sein müssen. Wir müssen wohl schauen, ob ihr dann losgefahren seid oder nicht.«
»Es ist ja wohl klar, dass ihr …«, setzte Rosemarie an, doch ihr Gedankengang änderte plötzlich die Richtung und bekam einen neuen Inhalt. »Was redest du da, Karl-Erik? Wir können uns doch nicht bei der Bank hinsetzen, wenn …«
»Wenn was?«, wollte Karl-Erik wissen und drehte sich um. »Wir haben einen Termin. Lundgren erwartet uns, und die Familie Singlöv ist den ganzen Weg von Rimminge hergefahren.«
»Das sind höchstens dreißig Kilometer«, sagte Rosemarie.
»Die könnten ruhig wieder nach Hause fahren. Du verstehst ja wohl, dass ich Ebba und Leif jetzt nicht im Stich lassen kann … und Kristoffer … nein, wir bleiben hier, du musst anrufen und den Termin absagen.«
»Aber zum Kuckuck noch mal …«, begann Karl-Erik, und es zeigte sich eine bis dahin unbekannte Ader an seiner anderen Schläfe, doch noch bevor er seine Meinung ausführen konnte, wurde er von Ebba gestoppt.
»Bitte Papa, nicht jetzt«, sagte sie. »Und Mama, ihr braucht wirklich unseretwegen nichts abzusagen. Das ist doch lächerlich. Was hat es denn für einen Sinn, wenn fünf Personen hier sitzen und warten, wenn es doch mit dreien reicht … außerdem, nein, ich weiß nicht … ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte …«
Und dann fing Ebba an zu weinen.
Zuerst begriff Kristoffer nicht, dass es sich hier um ein Weinen handelte. Vielleicht lag es daran, dass er seine Mutter nie zuvor hatte weinen sehen. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Aber das war auch ein merkwürdiges Weinen; es erinnerte eher an irgendeine Art von Maschine, die nicht anspringen wollte, ja, wie ein kleiner Motor klang es. Ihre Schultern fuhren auf und ab, und sie stieß die Luft in kurzen, keuchenden Stößen aus. Der Kopf zuckte im Takt mit dem Keuchen vor und zurück, aber nicht im Takt mit den Schultern, ja, an diesem Punkt stimmte es sozusagen nicht, wie Kristoffer fand, ein Motor, der stotterte, es wieder versuchte und stotterte, aber bei dem die Zylinder, wie viele es auch immer sein mochten, nicht in der Lage waren, so miteinander zusammenzuspielen, dass es eine runde Sache wurde.
Als hätte sie nie zuvor in ihrem Leben geweint und wüsste nicht so recht, wie man dabei vorging.
Die anderen verstanden offensichtlich auch nicht, worum es sich handelte, denn es dauerte eine Weile, bevor Großmutter Rosemarie etwas unbeholfen begann, ihrer Tochter über Rücken und Arme zu streichen, um sie zu trösten. Leif kam kurz darauf zur Verstärkung herbei und strich ihr über den Kopf, während Karl-Erik mitten im Raum stehen blieb und aussah wie ein Boxerrüde, der sich die Pfote in einer Lifttür geklemmt hatte.
Das fand jedenfalls Kristoffer, der auch nicht auf die Idee kam, der Weinenden in irgendeiner Form zu helfen. Sie war zwar seine Mutter, doch er war überzeugt davon, dass es hier bedeutend mehr Geschicks bedurfte, als er aufzubieten hatte. Aber es war unangenehm, sie so unerwartet hilflos zu sehen, und als er einen Blick auf seinen Großvater warf und ihm in die Augen sah, entdeckte er die gleiche verwirrte Unsicherheit, die in ihm selbst herrschte.
Verdammt, verdammt, verdammt, dachte Kristoffer, während er die Zähne zusammenbiss, um nicht selbst loszuheulen. Meine Mutter weint, jetzt ist es ernst. Komm endlich zurück, du blöder Henrik. Das ist nicht mehr witzig.
Kurze Zeit später war das Weinen zum Erliegen gekommen, und man hatte eine Vereinbarung getroffen. Rosemarie und
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