Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
Gefahr bestand, das sie Schiffbruch erleiden konnte – aber es gab immerhin noch einen deutlichen Hoffnungsschimmer. Eva war mit einem gewissen Wilhelm verheiratet, üblicherweise Ville genannt und Gründer sowie Vorsitzender und Trainer der KUT, Kymlinge Unihockey Tiger. Das Paar hatte drei Söhne, vierzehn, zwölf und zehn Jahre alt, die alle Unihockey spielten und als verheißungsvolle Talente galten. Im Laufe des letzten Jahres hatte Eva Backman langsam, aber sicher angefangen, alles zu verabscheuen, was mit diesem Sport zu tun hatte, nachdem sie sich viele Jahre lang neutral verhalten hatte. Sie hatte Barbarotti anvertraut, dass sie sogar einen allergischen Ausschlag in den Achselhöhlen und am Hals bekam, wenn sie gezwungen wurde, ein Spiel anzusehen, was normalerweise zweimal die Woche der Fall war. Sie hatte das auch ihrem Mann anvertraut, und soweit Barbarotti verstand, hatte dieser nicht entsprechend darauf reagiert.
    Aber Eva liebte ihren Mann, und sie liebte ihre Kinder. Sie wollte nicht, dass alles nur wegen dieses albernen Sports den Bach hinunterging. Oder aufgrund ihrer eigenen Starrköpfigkeit. Barbarotti und Backman hatten das Problem erst vor zwei Tagen diskutiert, er wusste, wie der Hase lief. Ein Arbeitswochenende statt eines Weihnachtswochenendes (nicht einmal eine klitzekleine Trainingsstunde war an den heiligen Tagen angesetzt) konnte fast etwas Schicksalhaftes für Eva Backman haben.
    Aber Barbarotti oder Backman mussten den Fall übernehmen, das stand für den Hauptkommissar fest, es gab keine anderen Möglichkeiten. Eigentlich war ja eher Backman an der Reihe, aber da gab es ja Backmans Heimspiel … nicht, dass man darauf Rücksicht nehmen musste, aber es sah doch wohl so aus, als ob ihr ein paar Tage im Schoße der Familie guttun würden, oder? Oder was dachte Barbarotti?
    Barbarotti war der gleichen Meinung. Im Prinzip. Und wenn sogar Asunander um Backmans Situation wusste, dann war es vermutlich ernst. Worum es denn überhaupt gehe?
    Hauptkommissar Asunander räusperte sich mit der Umständlichkeit, die nur dreißig Jahre beharrliches Pfeifenrauchen hervorrufen können, und erklärte, dass es sich um einen Vermissten handelte.
    Falsch, um zwei Vermisste.
    Dann machte er eine Pause und richtete sein Gebiss. Das rutschte immer zur Seite, wenn er zu viel redete. Dass er überhaupt ein Gebiss hatte, lag an seiner Arbeit. Vor knapp zehn Jahren war er im Zusammenhang mit einem dienstlichen Einsatz an einen angetörnten Bodybuilder geraten, der mit einem Baseballschläger bewaffnet war – der Schlag hatte Asunander über dem Mund getroffen, er hatte sechsundzwanzig Zähne innerhalb einer halben Sekunde verloren, was möglicherweise Weltrekord war und außerdem ein gutes Jahr umfassender Kieferoperationen nach sich zog mit nicht so recht befriedigendem Endresultat. Irgendwie wollte es einfach nicht passen, und das ständige Justieren führte dazu, dass er sich oft so kurz wie möglich fasste. Besonders wenn die Hände mit etwas anderem beschäftigt waren und er gezwungen war, die Pfeife im Mundwinkel mit den Zähnen festzuhalten. Manchmal klang es dann wie ein altmodisches Telegramm, besonders, wenn er schon Schiffbruch erlitten hatte. Bestimmte kleine Worte übersprang er gern, wenn sie für den Zusammenhang nicht unbedingt notwendig waren.
    »Merkwürdige Geschichte«, sagte er jetzt. »Bisher nur Telefonkontakt – gestern Abend und heute Morgen.«
    »Verstehe«, sagte Gunnar Barbarotti.
    »Definitiv Zeit, jemanden hinzuschicken. Die Sache genauer untersuchen. Umgehend. Übernimmst du?«
    »Gib mir eine Viertelstunde«, bat Gunnar Barbarotti. »Mein Zug fährt um halb zwei Richtung Norden. Das ändert so manches.«
    »Verstanden«, sagte der Kommissar. »Ruf mich in zehn Minuten an. Frohe Weihnachten.«
     
    Er hatte gerade das Gespräch beendet, als Sara in die Küche wankte.
    Er starrte sie an. Etwas stimmte nicht. Ihr schönes rotbraunes Haar sah aus, als hätte jemand draufgepinkelt. Die Augen waren glasig und rot, sie atmete schwer mit offenem Mund, und das fußlange Nachthemd hatte sich in einen schmutzigen Lappen verwandelt. Ein Schweißtuch. Sie kam herein und hielt sich am Kühlschrank fest.
    »Papa«, sagte sie mit matter Stimme.
    Gunnar Barbarotti widerstand dem Impuls, sofort zu seiner Tochter zu eilen und sie in die Arme zu nehmen. »Aber kleine Sara«, sagte er stattdessen. »Was ist denn los mit dir?«
    »Ich … glaube … ich … bin … krank.«
    Die Worte suchten sich

Weitere Kostenlose Bücher