Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
seinem Bett geschlafen hat.«
Gunnar Barbarotti machte sich wieder Notizen. Und er trank von seinem Kaffee. »All right«, sagte er. »Dem müssen wir später noch im Detail nachgehen. Jetzt geht es erst einmal darum, einen Überblick darüber zu bekommen, was eigentlich passiert ist.«
»Es ist unbegreiflich«, stellte Karl-Erik Hermansson mit einem tiefen Seufzer fest. »Ganz und gar unbegreiflich.«
Gunnar Barbarotti gab dazu keinen Kommentar ab, aber in seinem Innersten spürte er, dass das eine Interpretation der Lage war, die er mit unterschreiben konnte. Zumindest bis jetzt.
Ganz und gar unbegreiflich.
»Ich werde natürlich auch mit Familie Grundt sprechen«, sagte er. »Aber vorher möchte ich hören, was Sie über Henrik zu sagen haben.«
Das Ehepaar Hermansson brauchte fünfundzwanzig Minuten, um über Henrik Grundt und sein Verschwinden zu berichten. Auf Gunnar Barbarottis Notizblock ergab es jedoch nur sechs Zeilen.
Der neunzehnjährige Junge hatte – aus unbekannten Gründen – sein Bett und sein Zimmer irgendwann in der Nacht vom Dienstag, dem 20., auf Mittwoch, den 21. Dezember, verlassen. Vermutlich nicht vor 01.00 Uhr, als sein Bruder Kristoffer, der im gleichen Zimmer war, schlief – und auf keinen Fall nach 06.15 Uhr, als Rosemarie Hermansson aufstand und bemerkt hätte, wenn sich jemand im ersten Stock bewegte.
Warum? Ja, davon hatten weder Großvater noch Großmutter die geringste Ahnung. Es war wohl das beste, Mutter, Vater und Bruder des Jungen dazu zu befragen. Sie selbst empfanden nur eine große Verwirrung und eine große Verzweiflung.
Inspektor Barbarotti beteuerte sein vollstes Verständnis für diese Gefühle, aber man solle doch nicht die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang aufgeben. Bevor er das Gespräch mit Herrn und Frau Hermansson abschloss, fragte er, ob einer von ihnen eine Art Verbindung zwischen den beiden merkwürdigen Fällen von Verschwinden sehen könnte.
Überhaupt keine, darin waren sich die Eheleute rührend einig.
»Meine Eltern hat das schwer getroffen, ich hoffe, Sie verstehen das.«
Ebba Hermansson Grundt hatte selbst darum gebeten, mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Er wusste, dass sie Oberärztin der Chirurgie war, aber außerdem war sie die Schwester eines der beiden Vermissten und die Mutter des anderen. Es war ein wenig verwunderlich, dass sie das Gespräch damit einleitete, über ihre Eltern zu reden.
»Das habe ich auch gemerkt«, sagte Gunnar Barbarotti. »Ich habe gerade mit ihnen gesprochen.«
»Besonders meine Mutter, das ist Ihnen sicher aufgefallen. Sie hat die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich habe versucht, ihr gestern Abend eine Schlaftablette zu geben, aber sie hat sich geweigert... sie steht kurz vor dem Zusammenbruch. Aber das haben Sie ihr vielleicht auch angesehen?«
»Das ist eine ganz normale Reaktion in so einer Lage, nicht wahr?«, sagte Gunnar Barbarotti. »Und wie geht es Ihnen selbst?«
Ebba Hermansson Grundt saß kerzengerade auf dem Stuhl und atmete ein paar Mal langsam durch weitgeöffnete Nasenflügel, bevor sie antwortete. Als wäre sie gezwungen, erst einmal nachzuforschen, bevor sie eine korrekte Antwort abliefern konnte. »Mir geht es genauso«, stellte sie dann fest. »Aber es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn ich die Kontrolle verlöre.«
»Sie sind gewohnt, alles unter Kontrolle zu haben?«
Sie betrachtete ihn, schien nach einer Spur von Kritik oder Ironie zu suchen. Offensichtlich fand sie nichts davon, denn sie antwortete: »Ich bin nicht gefühllos, wenn Sie das glauben. Aber um meiner Eltern willen... und für Kristoffer ... versuche ich ein wenig optimistisch zu bleiben.«
»Und Ihr Mann?«
Einen Moment lang zögerte sie. »Für ihn auch.«
Gunnar Barbarotti nickte. Danach hatte er eigentlich gar nicht gefragt. Er merkte, dass ihm diese äußerst beherrschte und durchtrainierte Frau, die ihm gegenübersaß, leidtat. Sie war vierzig Jahre alt, hatte zwei Kinder und war Oberärztin. Ein äußerst verantwortungsvoller Posten; er musste sie einiges gekostet haben, und trotzdem hätte er sie eher auf fünfunddreißig geschätzt.
»Ich verstehe«, wiederholte er. »Aber dennoch muss ich Sie mit einigen Fragen belästigen, ich hoffe, das sehen Sie ein?«
»Bitte schön, Herr Kommissar.«
»Inspektor. Ich bin nur Inspektor.«
»Entschuldigung.«
»Das macht nichts. Nun gut, zuallererst möchte ich wissen, ob Sie irgendeinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen sehen können.
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