Mensch versteh mich doch
(Disstress).
Positiver Stress: freudige Erregtheit beim Ballspiel. (Foto: R. Maurer)
Während Eustress anregend wirkt und die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit erhöht, schwächt Disstress Körper und Psyche.
Freudige Ereignisse wie Spiel, Besuch, Futter oder ein anstehender Spaziergang rufen beim Hund positiven Stress hervor. Auslöser für negativen Stress sind hingegen psychische oder körperliche Unter- oder Überforderung und Ausüben von Druck, etwa durch Anwendung von Gewalt bei der Erziehung. Wichtig zu wissen ist auch, dass ein Zuviel an positivem Stress in negativen Stress umschlagen kann, beispielsweise dann, wenn ein Spiel außer Kontrolle gerät und der Hund sich zu sehr hineinsteigert.
Eine Stressreaktion verläuft in drei Stressphasen. Am Anfang steht die Alarmreaktionsphase , ein Zusammenspiel von Nervenimpulsen und Hormonausschüttungen, die den Körper in Alarmbereitschaft versetzen. In dieser Phase befindet sich unser Hund immer dann, wenn er etwas angespannt erwartet, sei es ein Spiel, eine Handlung, einen Artgenossen, den er in der Ferne gesichtet hat, oder etwas Unbekanntes, das ihm entgegenkommt. Viele Hunde machen sich in dieser Situation kleiner; sie ducken sich oder legen sich hin.
Als Nächstes folgt die Widerstandsphase . Nun hat der Hund nur noch den Stressauslöser im Kopf, während seine Widerstandsfähigkeit anderen Reizen gegenüber erheblich herabgesetzt ist. Oft nimmt er Dinge in seiner Umgebung gar nicht mehr wahr— er ist allein damit beschäftigt, den Stress abzubauen. Gelingt ihm das, kommt es zur Erholungsphase , wenn nicht, tritt die Erschöpfungsphase ein. Der zu lang anhaltende Stress überfordert den Körper. Die normalerweise nur kurzfristig auftretenden Symptome der ersten Phase bestehen nun langfristig und versetzen den Hund in dauerhafte Alarmbereitschaft. Verhaltensstörungen, ein geschwächtes Immunsystem und in der Folge organische Erkrankungen sind das Ergebnis.
Hat mein Hund Stress?
Hat mein Hund Stress?
Stress äußert sich bei Hunden auf unterschiedliche Weise. Häufig zu beobachtende Alarmzeichen sind Nervosität, Überreaktionen (wie in die Leine beißen) und Rastlosigkeit, aber auch ständiges Bellen oder Jaulen, Zerstörungswut, Aufreiten, starkes Hecheln und Sich-Schütteln. Ebenfalls auf Stress hindeuten können Magen-Darm-Probleme, die sich durch Erbrechen oder Durchfall äußern, häufiger Kot- und/oder Urinabsatz, Appetitlosigkeit, unangenehmer Geruch, plötzlicher Haarausfall oder übertriebene Körperpflege.
Hecheln kann ein Anzeichen für Stress sein. (Foto: R. Maurer)
Diese Sheltiehündin reagiert in einer Stresssituation mit zwei typischen Beschwichtigungssignalen: Sie hebt eine Pfote und leckt sich über die Schnauze. (Foto: R. Maurer)
Allerdings sollte man immer die Gesamtsituation im Blick behalten. So muss ein hechelnder Hund nicht unbedingt Stress haben, vielleicht ist ihm einfach nur zu warm, und Erbrechen oder Durchfall können auch ganz normale Symptome einer organischen Erkrankung sein.
Damit es gar nicht erst zu starkem Stress mit den eben genannten Symptomen kommt, sollten wir lernen, schon kleinste Anzeichen wahrzunehmen und richtig zu deuten. Unsere Hunde reagieren nämlich bereits auf schwache Stressfaktoren mit sogenannten Beschwichtigungssignalen. Erkennen wir diese, können wir stressige Situationen rechtzeitig auflösen. Typische Signale sind: eine Pfote heben, gähnen, den Kopf abwenden, sich wegdrehen, sich über die Nase lecken, auf dem Boden schnüffeln, sich strecken, setzen oder hinlegen, sich kratzen, die Augen zusammenkneifen oder auch die Vorderkörpertiefstellung.
Wie Aggression entsteht – die Eskalationsleiter
Werden Stresssignale nicht erkannt und wird eine Stresssituation nicht aufgelöst, wird der Hund immer stärkere Abwehrreaktionen zeigen. Hilft alles nichts, kommt es zur Aggression. Verhaltensforscher sprechen von einer Eskalationsleiter, die man sich etwa so vorstellen kann:
1. Der Hund zeigt keine Reaktion.
2. Als Reaktion auf eine Stresssituation zeigt der Hund leichte Beschwichtigungssignale.
3. Der Hund versucht, sich der Situation zu entziehen.
Gelingt ihm das nicht, zum Beispiel weil wir seine Flucht verhindern, folgen...
4. stärkere Beschwichtigungssignale.
5. ein erneuter Fluchtversuch.
6. Übersprung- oder Ersatzhandlungen (In-die-Leine-Beißen, Schnüffeln o. Ä.).
7. eine deutliche Warnung – der Hund knurrt.
8. eine noch deutlichere Warnung – der Hund fletscht
Weitere Kostenlose Bücher